Eine Sekunde für die Ewigkeit: Hofmann wird 65
Frankfurt/Main (dpa) - Die Winzigkeit einer Sekunde hat das Sportlerleben von Handball-Torwart Manfred Hofmann entscheidend verändert.
In dieser letzten Sekunde des Olympia-Qualifikationsspiels DDR gegen BRD am 6. März 1976 avancierte Hofmann mit einem parierten Siebenmeter zum umjubelten Helden und Wegbereiter des bundesdeutschen Handball-Märchens, das zwei Jahre später mit dem WM-Titel gekrönt wurde. Am 30. Januar feiert der einstige Weltklasse-Keeper seinen 65. Geburtstag, in Erinnerungen schwelgen wird er jedoch nicht. „Ich habe keine nostalgischen Gefühle mehr“, sagte Hofmann in einem Gespräch der Nachrichtenagentur dpa.
Auch eine ausschweifende Party mit Freunden und alten Weggefährten wird es nicht geben. „Ich bin keiner für die große Bühne. Wir machen das ganz still und leise im engsten Familienkreis“, erzählte Hofmann. Mit seiner glorreichen Vergangenheit zwischen den Pfosten der DHB-Auswahl, für die er 110 Länderspiele bestritt, und des TV Großwallstadt, mit dem er viermal deutscher Meister wurde und zweimal den Europapokal der Landesmeister gewann, hat er abgeschlossen. „Als ich meine Karriere beendet habe, ist eine Ära zu Ende gegangen. Ich habe mich danach neu orientiert. Es war für mich einfacher, einen Strich zu ziehen“, berichtete der langjährige Sparkassen-Direktor.
Angesprochen wird der Jubilar, der an der TVG-Nachwuchsakademie nach eigener Aussage „Mädchen für alles“ ist, aber noch heute. Vor allem auf jene Szene in Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, die sich jedem Handball-Fan tief ins Gedächtnis eingegraben hat. Nach einem 17:14 im Hinspiel lag das Team von Vlado Stenzel mit 8:11 hinten, als Hans Engel aus Frankfurt (Oder) zur letzten Aktion an den Siebenmeterpunkt trat. Hofmann parierte den Wurf mit dem linken Knie und das westdeutsche Team fuhr zu den Olympischen Spielen nach Montreal, wo es Vierter wurde.
„Jener 6. März bedeutete für uns die Rückkehr in die Erstklassigkeit. So trivial es auch klingen mag: Ein einziger Reflex, eine Kniespitze, die von Manfred Hofmann nämlich, entschied darüber, ob alles richtig oder falsch war“, schrieb Heiner Brand später in seiner Autobiografie InTeam.
Hofmann schilderte die entscheidende Szene einmal so: „Alle lagen enttäuscht am Boden, weil sie damit gerechnet hatten, dass die vielen Stunden Quälerei nicht belohnt werden. Ich war ganz ruhig. Das war eine Ausnahmesituation, in der ich mich nur auf den letzten Wurf konzentriert habe. Danach stürzte eine ganze Welt auf mich ein. Ich hatte kaum noch Luft zum Atmen.“
Auch beim sensationellen WM-Triumph 1978 durch einen Sieg gegen die UdSSR im Finale, in dem Hofmann drei Siebenmeter hielt, war er der große Rückhalt. „In meiner Karriere gab es viele Höhepunkte, aber auch Tiefen. Ich will nichts davon missen. Wir haben eine gute Zeit erwischt, in der wir führend waren. So konnte ich viele Erfolge feiern mit meiner Truppe“, erinnert er sich heute.
Zwar hat Hofmann inzwischen Abstand gewonnen und ist auch kaum noch bei den Bundesliga-Heimspielen des TV Großwallstadt anzutreffen, die Entwicklung auf allen Ebenen verfolgt er aber intensiv. „Mein Herz hängt natürlich immer noch am Handball“, sagte Hofmann. Die jüngsten Auftritte der DHB-Auswahl bei der WM in Spanien haben ihn begeistert. „Es hat Freude gemacht, diese junge, begeisterungsfähige Mannschaft zu sehen. Sie hat nach sechs Jahren mit dem Viertelfinale wieder einen Glanzpunkt gesetzt“, erklärte er.
Weniger erfreulich empfindet er die Lage beim abstiegsbedrohten TVG, dem Hofmann als Aktiver 16 Jahre lang die Treue hielt. „Es ist für uns keine angenehme Situation. Der Klassenerhalt ist auf jeden Fall machbar, aber es wird ein steiniger Weg“, stellte er fest. Daran will der zweifache Familienvater an seinem Geburtstag aber nicht denken.