Kiel geht die Puste aus - Flensburg schleicht sich an
Flensburg (dpa) - Dem erfolgsverwöhnten Handball-Krösus THW Kiel geht die Puste aus, und die Konkurrenz atmet erleichtert auf. Die dritte Kieler Pleite in dieser Bundesliga-Saison macht die Meisterschaft spannend wie lange nicht.
Nach dem unerwarteten 29:33 bei Frisch Auf Göppingen bleibt der THW zwar an der Spitze, wackelt aber. „Heute war ich vielleicht bei 20 Prozent“, gestand der sonst so robuste und wurfgewaltige Rückraumspieler Filip Jicha. Der nach einem grippalen Infekt geschwächte Tscheche ist Sinnbild der momentanen Durststrecke. „Ich fühle mich auch grade nicht wohl auf dem Spielfeld“, gibt der 30-Jährige unumwunden zu.
Das Leid der Kieler ist das Glück der Flensburger. Deren 30:27-Sieg gegen den Tabellenzweiten Rhein-Neckar Löwen macht die Meisterschaft nach dem Zu-Null-Durchmarsch der Kieler in der Vorsaison fast schon dramatisch spannend. Die Löwen und die Flensburger haben nur zwei Minuspunkte mehr als der THW und sind damit ebenfalls Titelanwärter. Insbesondere die Flensburger gelten als Team der Stunde.
„Ich bin zu 200 Prozent stolz auf meine Mannschaft“, meinte SG-Trainer Ljubomir Vranjes. Die Flensburger haben letztmals am 18. November verloren. Das war gegen den HSV in der Champions League. „Wir haben bisher noch nicht einen einzigen Gedanken an den Titel verschwendet. Aber die Liga ist jetzt wieder ausgeglichen und interessant“, betonte SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke. Und lobte: „Die vielen Verletzungen haben wir unheimlich gut kompensiert. Die Mannschaft macht einen sehr geschlossenen Eindruck. Wir spielen mit Leidenschaft und Herz Handball.“
Die Kieler mussten indes ihre zweite Niederlage binnen sechs Tagen hinnehmen. „Das kommt nicht häufig vor“, befand Linksaußen Gudjon Valur Sigurdsson. Ein zwischenzeitlicher Acht-Tore-Rückstand stimmte die Verantwortlichen nachdenklich. „Das ist für unsere Mannschaft ungewöhnlich“, bestätigte Geschäftsführer Klaus Elwardt.
Alle waren aber bemüht, schnell zur Tagesordnung überzugehen. Das Motto lautet: Bangemachen gilt nicht. „Wir können noch die Champions League gewinnen, sind in der Liga weiter Erster - und haben die Pokalchance. Wir lassen uns nicht verrückt machen“, meinte Sigurdsson.
Jetzt müssen die Kieler beweisen, dass sie tatsächlich dann voll da sind, wenn es um alles geht. Nach der 35:37-Niederlage im Achtelfinal-Hinspiel gegen Medwedi Tschechow knistert es vor dem Rückspiel am Sonntag gewaltig. „Da erwartet uns wirklich das erste K.o.-Spiel der Saison“, sagte Jicha. „Wenn wir nicht gut spielen, sind wir raus. Das wäre für viele von uns sehr tragisch.“
In der Vorbereitung wird Trainer Alfred Gislason mit seinen Mannen an der Deckungsarbeit feilen müssen. „Unsere Abwehr war sowohl gegen Tschechow als auch in Göppingen nicht so disponiert“, befand Elwardt. Jicha, Welthandballer von 2010, hat die nervöse Stimmung sehr wohl registriert - und appelliert an seine Teamgefährten: „Man muss jetzt zeigen, was man gelernt hat und was für ein Spieler man ist.“