Neue Regeln machen Bundestrainer Sigurdsson zum Spion
Leipzig (dpa) - Jetzt ist Dagur Sigurdsson auch ein bisschen James Bond. Fünf neue Regeln gelten von diesem Freitag an - eine fordert vom Bundestrainer der deutschen Handballer die Fähigkeiten des berühmten Geheimagenten.
Der Einsatz eines siebten Feldspielers statt des Torhüters eröffnet ganz neue taktische Kniffe. „Das bietet die Möglichkeit, ein paar Varianten einzuspielen. Gleichzeitig muss man sich darauf vorbereiten, wenn der Gegner das spielt. Man muss ein bisschen spionieren, was die anderen Mannschaften in ihren Vorbereitungen machen“, erklärte Sigurdsson.
Dass der Weltverband IHF ausgerechnet einen Monat vor den Olympischen Spielen und damit dem wichtigsten Handball-Turnier eine große Reform in Gang setzt, kommentierte der Isländer nicht. Dafür sparte der deutsche Schiedsrichter-Chef Peter Rauchfuß nicht mit Kritik. „Die IHF hat uns ein schönes Ei ins Nest gelegt“, sagte der frühere Top-Referee, „die muss es ja nicht umsetzen. Sie sagen 'Wir spielen bei Olympia so. Nun macht mal'.“
Ein ganzes Füllhorn an Änderungen hat die IHF ersonnen: Blaue Karte, Zwangspause für Verletzte, passives Spiel, Fouls kurz vor Spielende und kein Leibchen-Zwang für den siebten Feldspieler. Die Europäische Handball-Föderation (EHF) ging vorsichtig auf Distanz zu der Entscheidung. „Verständlicherweise war es keine europäische Entscheidung, denn die Regelhoheit liegt beim Weltverband. Es ist die Aufgabe der an Olympia teilnehmenden Mannschaften, das zu kommentieren“, sagte EHF-Generalsekretär Michael Wiederer.
Sigurdsson sieht die Sache ebenso pragmatisch wie den Ausfall von Spielern - man muss damit zurechtkommen. „Wir müssen vielleicht ein, zwei Sachen in unserem Spiel ändern. Da müssen wir etwas testen und probieren, was wir davon nutzen können“, sagte der Isländer, dessen Europameister-Team am 13. Juli in Stuttgart beim Testspiel gegen Tunesien erstmals nach den neuen Regeln spielt.
„Die größte Veränderung für den Handball erwarte ich durch die neue Regel zum siebten Feldspieler“, erklärte Jürgen Rieber, Schiedsrichter-Lehrwart im Deutschen Handballbund (DHB). In der Praxis soll das so aussehen, dass der zusätzliche Feldspieler nicht mehr zwingend ein Leibchen tragen und damit als „falscher Torwart“ gekennzeichnet werden muss. Ohne Leibchen aber darf kein Spieler mehr ins Tor.
Auch die Regel zum verletzten Spieler, der nach einer Behandlung mindestens drei Angriffe seiner Mannschaft auf der Bank aussetzen muss, ist nicht unumstritten. Die Idee dahinter: Taktische Schauspielereien, mit denen Spieler einen schnellen Gegenangriff verhindern wollen, sollen ausgeschlossen werden. „Wir hatten zu viel Hollywood“, meinte Rieber, „diese Regel wird für weniger Unterbrechungen sorgen.“ DHB-Schiedsrichterchef Rauchfuß aber geißelte dies als „Schreibtischauslegungen“. Die Zwangspause sei „schon im Bereich der Strafe für den Spieler“.
In aller Munde - quasi als Synonym für die neuen Regeln - ist die Blaue Karte. Diese hat aber die geringste Auswirkung. Schließlich wird sie nur in Verbindung mit einer Roten Karte gezeigt und signalisiert nur, dass es einen Bericht der Schiedsrichter zum Vergehen des Spielers gibt. „Ich suche noch einen Hersteller von Hosenträgern, damit die Hosen nicht rutschen, bei dem, was die Schiedsrichter alles in den Taschen haben müssen“, spottete Rauchfuß.