Entscheidung vor WM 2017 Ohne Sigurdsson zu Olympia? Zukunft von Bundestrainer unklar
Berlin (dpa) - Es ist nicht lange her, da schwärmte Dagur Sigurdsson noch von seiner Lust auf weitere Jahre mit dem Handball-Nationalteam. „Unser Hunger ist da. Die Turniere dürfen ruhig schnell kommen“, hatte der Bundestrainer nach dem Gewinn der Olympia-Bronzemedaille in Rio gesagt.
Knapp zwei Monate später scheint dieser „Hunger“ zumindest beim Erfolgscoach selbst nicht mehr allzu groß. Nach einem Bericht von „Handball Inside“ erwägt der Isländer, seinen bis 2020 laufenden Vertrag mit dem Deutschen Handballbund (DHB) vorzeitig zum 30. Juni 2017 zu kündigen. Diese Option besteht bis zum Saisonende.
„Der Vertrag ist bis zum 31. Dezember kündbar“, bestätigte der für den Leistungssport zuständige Vizepräsident Bob Hanning dem Pay-TV-Sender „Sky Sport News HD“ und betonte zugleich: „Wir werden auf eine Kündigung verzichten.“ Sollte Sigurdsson diesen Schritt gehen, würde die WM im Januar 2017 in Frankreich sein letztes Turnier als Bundestrainer der „Bad Boys“ sein.
Hanning räumte ein, von Sigurdsson bereits vor einiger Zeit in dessen Überlegungen eingeweiht worden zu sein. „Wir haben schon lange über dieses Thema gesprochen. Daher überfährt es mich nicht“, sagte Hanning. Man sei mit dem 43-Jährigen in Gesprächen.
Auch auf seiner Präsidiumssitzung habe der DHB darüber geredet. Ursprünglich wollte der DHB mit Sigurdsson bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio die Goldmedaille anpeilen. Sein Vertrag war daher eigentlich bis zu den Sommerspielen in knapp vier Jahren ausgelegt.
„Dass Dagur auch wegen des Europameistertitels und der olympischen Bronzemedaille zu den begehrtesten Trainern zählt, ist keine Überraschung“, sagte Hanning und ergänzte: „Wir wissen, was wir an ihm haben - und Dagur weiß, was er am Deutschen Handballbund hat. Weiteres wird sich in den nächsten Wochen entwickeln.“ Klar ist aber auch, dass Sigurdsson in Ländern wie Katar oder bei einem internationalen Spitzenclub deutlich mehr Geld verdienen würde als beim DHB.
Finanzielle Gründe sollen aber nicht den Ausschlag für das Umdenken bei Sigurdsson gegeben haben. Vielmehr spielen wohl persönliche Beweggründe des verheirateten Familienvaters die Hauptrolle. „Es gibt immer Situationen im Leben, wo man andere Wege geht. Bei Dagur geht es auch um Lebensplanung“, sagte Hanning.
Sigurdsson, der 2014 den schwächelnden Weltmeister von 2007 übernommen hatte, rückte mit seinen anschließenden Erfolgen in den Fokus. Unter dem Taktik-Experten kehrten die Deutschen in die Weltspitze zurück: Nach dem EM-Titel im vergangenen Januar folgte im August Bronze in Rio. Bei der kommenden WM soll die nächste Medaille folgen.
Zuletzt hatte sich Sigurdsson bei einer DHB-Pressekonferenz in seinem Wohnort Berlin nichts anmerken lassen. Angesichts zweier im November anstehender Qualifikationsspiele zur EM 2018 in Kroatien hatte er gesagt: „Wir wollen Erster in unserer Gruppe werden.“ Brisant: Sein abschließendes Qualifikationsspiel in der Vierergruppe bestreitet Deutschland am 17. oder 18. Juni 2017 gegen die Schweiz. Es könnte gleichzeitig das Abschiedsspiel des Isländers sein. Für den DHB und das Team um Kapitän Uwe Gensheimer wäre ein Abgang des Erfolgstrainers ein harter Schlag.