IOC-Boss Rogge wird 70

Berlin (dpa) - Für Jacques Rogge kommt die Verschnaufpause gerade recht. Elf Wochen vor Beginn der Olympischen Spiele in London nimmt sich der IOC-Präsident eine kleine Auszeit und feiert seinen 70. Geburtstag am 2. Mai im engsten Familienkreis in seiner belgischen Heimat.

Der Ober-Olympier mag es eher beschaulicher. Eine rauschende Party zu seinen Ehren im noblen IOC-Hauptquartier Château de Vidy in Lausanne stand nie zur Debatte. Die nächste große Feier soll es erst wieder im Sommer geben, wenn die vermeintlich unproblematischen London-Spiele tatsächlich auch ohne Katastrophen verlaufen sind.

Rogge ist gut gelaunt derzeit. Anders als vor den nervenaufreibenden Spielen in Peking muss er vor dem Ringe-Spektakel in London keine Ohnmacht gegenüber einer Staatsmacht ertragen und erklären, keine politischen Zugeständnisse machen und auch keine problembeladene Welttour des olympischen Feuers kommentieren. Der Belgier freut sich auf „großartige Spiele“ und will im Schlussspurt bis zur Eröffnungsfeier alles dafür tun, dass die dritte Olympia-Auflage in London gleichzeitig eine historische Premiere wird. Erstmals in der Olympia-Geschichte sollen keine Länder mehr ohne Frauen teilnehmen.

Beharrlich kämpft er für die olympische Gleichberechtigung, die neben der Einführung der Olympischen Jugendspiele zu seinem Vermächtnis werden könnte. Noch immer stehen die Verhandlungen mit dem Nationalen Olympischen Komitee von Saudi Arabien vor einem ungewissen Ausgang. Das IOC will die Saudis dazu bewegen, als letzte Delegation auch eine Frau in ihre Mannschaft für London aufzunehmen. Als potenzielle Starterinnen stehen eine Reiterin, eine Leichtathletin und eine Judoka zur Debatte.

Rogges diplomatischer Einsatz passt zu seinem Anspruch, mit dem er am 16. Juli 2001 als achter Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) die Regentschaft von Juan Antonio Samaranch übernommen hatte. Der ehemalige Chirurg und Orthopäde war mit edlen Plänen angetreten. Ein Reformer wollte er sein, die Korruption bekämpfen, den Gigantismus eindämmen, den Dopingsumpf trockenlegen, die Frauenquote erhöhen und das olympische Programm modernisieren. Nach dem größten Bestechungsskandal der IOC-Geschichte 1999 stand Rogge bei seiner Amtsübernahme vor allem für die neue Tadellosigkeit.

Fünf Olympische Spiele (Salt Lake City 2002, Athen 2004, Turin 2006, Peking 2008, Vancouver 2010) hat er bisher als Präsident mitgestaltet und dabei einen Wandel vom Idealisten zum Pragmatiker durchgemacht. Rogge musste auch einige bittere Niederlagen einstecken.

Vor den Peking-Spielen, die er von Samaranch „geerbt“ hatte, wehte dem ehemaligen Segler soviel Gegenwind ins Gesicht wie nie zuvor in seiner Amtszeit. Rogge musste sogar öffentlich eine Krise eingestehen. Führungsschwäche wurde ihm vorgeworfen, weil er die Teilenteignung der Spiele gestattet und den chinesischen Olympia-Machern verbale Streicheleinheiten verabreicht hatte. Auch für die Vergabe der Retortenspiele 2014 an Sotschi, an Wladimir Putin und dessen Oligarchen-Freunde wurde Rogge massiv kritisiert. Der Kurswechsel war längst vollzogen. Wie sein Vorgänger Samaranch setzt auch er auf das Big Business und ein prall gefülltes Festgeldkonto.

Rogge hat sich von den Rückschlägen erholt. Seine Wiederwahl als Ober-Olympier 2009 in Kopenhagen mit überwältigender Zustimmung der IOC-Kollegen, seine erfolgreiche Programmpolitik mit dem Olympia-Comeback von Golf und Rugby und die gelungenen Winterspiele in Vancouver haben ihm sichtlich gut getan. Bis zur 125. IOC-Session im September 2013 in Buenos Aires wird Rogge als wohl letzter Amateur an der Spitze der wichtigsten Sportorganisation der Welt die Geschicke noch leiten. Mit den Herausforderungen Sotschi 2014 und Rio de Janeiro 2016 wird sich sein Nachfolger auseinandersetzen müssen.