Da muss der VfB-Fan Klinsmann angesichts von Rang 17 aber derzeit arg leiden. Ist die Mannschaft stark genug, den Fehlstart zu korrigieren?
Interview Jürgen Klinsmann: „Irgendwann zurück in den Profizirkus“
Interview Der Fußball-Trainer über den VfB Stuttgart, seine eigene Zukunft im Job und das Familienleben in den USA.
Jürgen Klinsmann ist allerbester Laune, morgens um 9 Uhr in Huntington Beach, in der Nähe von Los Angeles. Die Sonne scheint, sagt der 54-Jährige am Telefon. Dann nimmt sich der ehemalige Bundestrainer Zeit und spricht unter anderem über den VfB Stuttgart, die TSG Hoffenheim und seine Zukunftspläne.
Klinsmann: Vom Kader her sehe ich sie eigentlich unter den ersten acht Teams der Liga. Als VfB-Fan macht man sich gerade aber schon Sorgen. Wenn du einmal unten drinsteckst, ist das Überlebenskampf pur. Dann wird es ganz schwierig. Das hat man in Stuttgart ja erst vor zwei, drei Jahren erlebt. Dann brauchen wir nicht mehr darüber sprechen, ob man attraktiv spielt. Der VfB braucht einfach schnell Punkte.
In Hoffenheim haben in den vergangenen Jahren mehr eigene Talente den Sprung in die Bundesliga geschafft.
Klinsmann: Man kann der TSG Hoffenheim nur Komplimente machen, was sie alles aufgebaut haben. Wie sie die Jugend einbinden. Es ist phänomenal, sie jetzt in der Champions League spielen zu sehen. Hoffenheim hat sich zu einem Vorzeigemodell entwickelt.
Die Stuttgarter hinken da etwas hinterher.
Klinsmann: Der VfB hat gute Ansätze. Natürlich wünscht man sich beim VfB lauter junge Wilde aus der eigenen Jugend als Säulen der Mannschaft. Aber das ist eben viel einfacher, wenn der Erfolg da ist und du nicht Vorletzter bist. Was der VfB außerhalb des Platzes gemacht hat, die Ausgliederung, das hat Hand und Fuß. Wichtig ist, dass der Verein so schnell wie möglich wieder international präsent ist.
Wie nehmen Sie die Bundesliga aus der Distanz wahr?
Klinsmann: Die Liga muss aufpassen bei der internationalen Vermarktung.
Inwiefern?
Klinsmann: Die internationalen Ligen stehen doch in Konkurrenz zueinander. Italien holt mit dem Ronaldo-Deal auf, Frankreich hat Neymar. Das sind klare Signale gegenüber der Bundesliga: Freunde, passt auf! Wenn solche Botschaften wie die unsäglichen Beleidigungen gegen Dietmar Hopp noch dazukommen und medial nach außen getragen werden, dann ist das nicht gut für das Produkt Bundesliga bei der weltweiten Vermarktung. Das wird im Ausland schon negativ wahrgenommen, registriert und diskutiert.
Ist dieses Niedermachen, dieses Schmähen, dieses Negative etwas typisch Deutsches?
Klinsmann: Es ist in unserer Kultur schon verankert, dass das Neid-Prinzip früher hochkommt als in anderen Ländern. Was ein paar Leute gegenüber Dietmar Hopp abziehen, das ist nicht zu akzeptieren. Dieser Neid darf halt nicht in Beleidigungen und Aggressivität ausarten.
Ein Teil der Fans kann das aber offensichtlich nicht akzeptieren.
Klinsmann: Wir können den Fußball nicht kommerziell zurückdrehen. Das ist einfach so. Wenn wir den besten Fußball in der Bundesliga sehen wollen, dann müssen wir mit der Premier League, mit Spanien, Italien und Frankreich konkurrieren. Wenn es gar nicht anders geht, dann können diese Fans halt nicht ins Stadion.
Hat sich der Umgangston im Fußballgeschäft verändert?
Klinsmann: Der Ton ist rauer geworden. Das Internet hat viel Positives mit sich gebracht. Aber durch Social Media ist die Respektsgrenze nach unten gegangen. Jeder kann alles kommentieren und beleidigend sein. Deshalb sind wir alle gefordert, den Umgangston zu wahren. Nicht nur im Internet, sondern im direkten, persönlichen Umgang miteinander.
Der Umgang mit den Medien war vor einigen Tagen das große Thema bei einer Pressekonferenz der Bayern. Wie haben Sie die Veranstaltung Ihres Ex-Clubs wahrgenommen?
Klinsmann: Man macht sich seine eigenen Gedanken, ganz klar. Aber wenn ich etwas über den FC Bayern sage, dann gibt das ein mediales Echo … Deshalb beurteile ich nicht, was die Bayern intern tun.
Sie sind seit zwei Jahren ohne Trainerjob. Was fehlt Jürgen Klinsmann, dem Trainer außer Dienst, am meisten?
Klinsmann: Das Persönliche, der enge menschliche Umgang fehlt mir. Als Trainer hast du ja das Gefühl, du bringst Mitmenschen voran. Das Faszinierende an der Trainerrolle sind Spieler, die dann nach zwei, drei Jahren sagen: Der Kerl, der hat mich vorangebracht.
Wie groß ist die Lust, wieder Trainer zu sein?
Klinsmann: Irgendwann zieht es mich in den Profizirkus zurück, ganz klar. Das soll jetzt aber kein Bewerbungsschreiben sein. Es muss auch kein Trainerjob sein – es kann auch sein, dass ich irgendwo Sportdirektor oder Sportvorstand werde. Wichtig ist, dass die Ziele und Werte mit den handelnden Personen übereinstimmen, es eine Identität gibt.
Der VfB hat gerade einen Trainer gesucht, Hoffenheim braucht noch einen ab nächstem Sommer. Gab es da ein Angebot?
Klinsmann: Nein, da gab es keinen Kontakt. Ich hatte vor der Weltmeisterschaft Angebote von WM-Teilnehmern. Aber das war nicht das, was ich wollte. Ich hatte schon den Anspruch, dass die Perspektive dann Minimum Viertelfinale heißt.
Bleibt Kalifornien denn für immer Ihr Lebensmittelpunkt?
Klinsmann: Mein Sohn spielt bei der Hertha in Berlin, die Tochter beginnt nächstes Jahr ein Studium, vielleicht in Europa. Das ist eine neue familiäre Situation, bei der du sagst: Das Haus hier in Kalifornien schwimmt ohne mich nicht davon.
Wie lebt es sich als Wahl-Amerikaner unter Donald Trump?
Klinsmann: Natürlich lebt es sich anders. Das Gute ist, es gibt viele junge Leute, die sich wieder mit Politik beschäftigen. Ich darf seit über 20 Jahren an einem der schönsten Flecken der Welt leben, da muss man es auch hinnehmen, wenn es politisch mal nicht so läuft.