Vor Relegation zur 3. Liga KFC-Trainer Krämer im Interview: Mit Uerdingen bis in die 2. Liga?

Der KFC Uerdingen spielt gegen Waldhof Mannheim um den Aufstieg in die 3. Liga. Ein Gespräch mit dem Trainer über einen Verein im Aufbruch, dessen russischen Geldgeber, den Wahnsinn der Relegationsspiele — und ein Tattoo.

Foto: Noah Wedel

Herr Krämer, am Donnerstag geht es für den Regionalligisten KFC Uerdingen in die Relegation zur 3. Liga gegen Waldhof Mannheim. Zwei Spiele, eine Entscheidung, die wichtiger nicht sein könnte. Was macht das mit allen?

Stefan Krämer: In der Mannschaft herrschen Vorfreude und Respekt. Relegationsspiele sind eben keine Routine. Ich sehe die Chance, nicht das Risiko. Und ich freue mich wie ein kleines Kind auf dieses 50:50-Spiel. So will ich mich messen.

Ist Waldhof Mannheim auf Augenhöhe?

Krämer: Ja, gleicher Etat, ebenfalls mit Spielern, die schon höher gespielt haben. Aber wir haben einen Vorteil: Wir haben zehnmal hintereinander gewonnen. Von diesen Spielen hätten wir eigentlich nicht ein einziges Unentschieden spielen dürfen, sonst hätten wir jetzt nicht diese Chance. Wenn du alle drei Tage Endspiele hast, macht das was in deiner Birne. Es war eine unfassbare Leistung meiner Mannschaft.

Sie sind seit zwölf Spielen da, haben Michael Wiesinger beerbt.

Krämer: Ich hatte schon im Sommer mit Uerdingen gesprochen, war damals aber nicht in Erfurt aus dem Vertrag gekommen. Ich wusste aber um die Möglichkeiten, die hier existieren.

Mit der Ansage des zielstrebigen Clubchefs und Geldgebers Mikhail Ponomarev, den Aufstieg schaffen zu müssen?

Krämer: Nein. Aber wir wollten es noch einmal probieren.

Was hatten Sie mit Uerdingen verbunden?

Krämer: Nicht so viel. Na klar, jeder weiß um die Europapokalgeschichte gegen Dynamo Dresden. Mich hat hier aber einfach die Möglichkeit gereizt. Mit Herrn Ponomarev kann man hier in naher Zukunft auch mal richtig explodieren. Das reizt, das haben nicht viele.

Wo ist das Limit für den KFC Uerdingen?

Krämer: Diese Mischung aus Tradition und Möglichkeiten gibt es her, dass wir irgendwann 2. Liga spielen.

Mit Ihnen?

Krämer: Ja, das fände ich jetzt nicht so schlimm. (lacht) Und das ist auch realistisch. Man merkt ja in der Stadt, was wir geweckt haben. Und da ist Luft nach oben. Wenn wir das jetzt schaffen, können wir auch eine Liga höher eine konkurrenzfähige Mannschaft stellen.

Dreimal Antrag auf Insolvenz, ein Mal Zwangsabstieg: Die Fans hier haben seit 1996 viel gelitten. Den Aufstieg sehnen sie herbei.

Krämer: Die 3. Liga wird auch brutal gut mit Kaiserslautern und Braunschweig, auch mit den möglichen Aufsteigern 1860 München, Cottbus oder Uerdingen. Tradition, Zuschauer, Interesse. Und für die Anhänger der Clubs im Osten — und das kann ich nach meinen Stationen in Cottbus und Erfurt sagen — ist Fußball auch eine Religion. Klar ist: 3. Liga ist volle Kanne Profifußball.

Sie gelten als emotionaler Trainer, das wird am Donnerstag kaum anders sein.

Krämer: Wenn mal die Regel erfunden wird, dass ein Trainer sitzen muss, höre ich auf. Aber jeder ist anders: Mein größtes Vorbild im Fußball ist der russische Trainer Walerij Lobanowski. Der hat die Bank nie verlassen — und sein Gesicht nie bewegt.

Was schätzen Sie an ihm?

Krämer: Der hat in den 70er Jahren bei Kiew mit Raumverknappung und ballorientiertem Schieben gearbeitet, als hier noch zwei Manndecker weit vor dem Libero Beckenbauer spielten, der 30 Meter hinter der Mittellinie stand. Da war Deutschland 30 Jahre zurück. Ich habe früher Nächte damit verbracht, die Videokassetten von Kiew anzuschauen. Da habe ich gemerkt: das ist ein ganz anderer Sport. Ich habe dann immer gezählt: Die mussten doch ein Spieler mehr sein! Lobanowski hat den Fußball erfunden, und der erste, der das hier fortgeführt hat, war Wolfgang Frank in Mainz.

Wie weit ist der KFC Uerdingen schon?

Krämer: Die Mannschaft ist weiter, die könnte genau so auch in der 3. Liga mitspielen. Aber man muss aufpassen: Das Umfeld muss organisch mitwachsen: Mit Power auf der Geschäftsstelle, mit dem Team hinter dem Team. Sonst fällt dir das auf die Füße. Das Ziel von Herrn Ponomarev ist, dass sich der Verein irgendwann zu großen Teilen selber trägt. Es müssen also neue Sponsoren her. Es darf nicht mehr alles nur auf seinen Schultern liegen. Und das Stadion muss modernisiert werden. Das ist ja auf dem Weg.

Donnerstag spielen sie in Duisburg und nicht in Krefeld.

Krämer: Wir müssen jetzt eben die eine oder andere Kröte schlucken. Das ist der Preis der letzten Jahre hier, in denen Fehler gemacht wurden. Wir sind sehr weit, dass auch die Hinrunde in der kommenden Saison in Duisburg gespielt wird. Ich hoffe, dass die Uerdinger Fans das annehmen.

Muss sich die Mannschaft verändern?

Krämer: Es wird sicher nicht so wie nach dem Oberliga-Aufstieg sein, als die ganze Mannschaft ausgetauscht wurde. Wir ergänzen punktuell, aber das Potenzial ist zu groß und der Charakter zu gut, als dass ich den großen Wechsel riskieren würde. Ich habe auch von den Beratern genug. Die denken, hier kann man unfassbar viel Geld verdienen. Wir könnten jeden Tag eine komplette Mannschaft kaufen, so oft werden wir angerufen. Ich stelle mein Telefon inzwischen aus.

Geldgeber Ponomarev steckt bisweilen viel Kritik ein. Wie stehen sie zu ihm?

Krämer: Ich habe im Tagesgeschäft gar nichts mit ihm zu tun. Ich glaube, er hat noch kein Training gesehen. Vielleicht auch, weil es gut läuft. (lacht) Ansonsten wird er sicher unterschätzt: Er hat einen guten Blick für Spieler und Spiel. Er ist nicht der Onkel aus Russland, der seinen Koffer auf den Tisch stellt und sagt: Macht mal. Jede Entscheidung, die Geld kostet, geht über seinen Tisch. Ich fände alles andere auch schlecht. So aber können wir uns gut austauschen.

Im übrigen: Wenn Herr Ponomarev Schmitz heißen würde, würde er deutlich unkritischer gesehen. Und: Jeder Club, der hoch will, hat jemanden, der ihm hilft. In Hoffenheim hat Herr Hopp ausgeholfen, in Bielefeld hilft Herr Weber, in Hamburg hilft Herr Kühne.

Sie trainieren mit Maximilian Beister einen Spieler, der in Düsseldorf mal für Furore sorgte — und danach lange als gescheitert galt.

Krämer: Auch hier wurde er kritisch beäugt. Aber ich kann nur Gutes über ihn erzählen. Der ist in der Kabine extrem beliebt, ist gewissenhaft und kommt mit Roller und Badeschlappen zum Training. Und nicht mit einem gepimpten Porsche Cayenne. Seine Leistungen sprechen für sich.

Die Relegationsspiele unter Meistern sorgen für Ärger.

Krämer: Die sind totaler Schwachsinn, das habe ich auch schon als Drittliga-Trainer gesagt. Lasst eben fünf Teams aus der 3. Liga absteigen! Es ist doch klar, dass die Meister der Regionalligen direkt aufsteigen müssen. Ein Beispiel: Saarbrücken hat am vergangenen Sonntag Pokalendspiel und verliert, gelangt also nicht in die lukrative erste Runde des DFB-Pokals. Donnerstag und Sonntag spielen die Relegation gegen 1860 München. Wenn sie wieder verlieren, haben sie innerhalb von einer Woche das ganze Invest verloren. Das soll logisch sein? Da lache ich mich kaputt.

Und wenn der Aufstieg gelingt, lassen Sie sich wie zu Zweitliga-Zeiten in Bielefeld ein Tattoo stechen?

Krämer: Das war eine verlorene Wette. Ich werde mir jetzt nicht jeden Club tätowieren lassen. Bielefeld war eine intensive Zeit. Und ich finde, dass es schön geworden ist. (lacht)

Wir tickern das Spiel live aus Duisburg. Anstoß ist um 19 Uhr. wdr.de bietet einen Stream.