Comeback ohne Sprint-Power von Powell
Luzern (dpa) - Der deutsche Meister Julian Reus kann die Sprint-Welt nicht mehr verstehen. „Es ist hart, wenn man sieht: Alle, die letztes Jahr rausgenommen wurden, stehen auf einmal schon wieder da“, schimpfte der 26-jährige Wattenscheider.
Gemeint war das Comeback des jamaikanischen Sprinters Asafa Powell in Luzern. „Und sie werden zum Teil von den Menschen gefeiert, als wäre nichts gewesen“, ärgerte sich Reus.
Der aktuell zweitschnellste deutsche Sprinter hatte seinem Ärger schon nach dem Diamond-League-Meeting Anfang Juli Luft gemacht, dass vier von acht Startern über 100 Meter schon ein- oder zweimal wegen Doping-Verstößen gesperrt waren. Dazu zählten die drei Erstplatzierten US-Amerikaner Justin Gatlin, Tyson Gay und Michael Rodgers. Dabei sei ihm einmal mehr bewusstgeworden, „dass Strafmaß und Konsequenzen bei Doping-Vergehen bei weitem“ nicht ausreichten, meinte Reus.
Kein wirklicher Trost für ihn war in Luzern, dass dem ehemaligen Weltrekordler Powell (9,72 Sekunden) bei seiner Rückkehr nach einjähriger Doping-Sperre die einstige Power fehlte und er nach mäßigen 10,30 Sekunden nur als Dritter ins Ziel kam. Reus lief wenige Meter neben ihm 10,38 Sekunden. „Jetzt ist er also wieder bei Meetings dabei - aber davon darf man sich nicht aufhalten lassen. Da muss man sein Ding machen“, sagte Reus.
Den Staffel-Olympiasieger von 2008 aus der Karibik berührt solche Kritik wenig. „Ich bin glücklich, dass ich wieder Wettkämpfe bestreiten darf“, sagte Powell, „aber natürlich sind 10,30 Sekunden nicht das, was ich mir vorgestellt habe.“ Viel flotter war Gay nach einjähriger Doping-Sperre in Lausanne in Schwung gekommen, wo er in 9,93 Sekunden hinter Gatlin (9,80) Zweiter wurde.
Der Weltjahresbeste hatte einen achtjährigen Dopingbann - die hohe Strafe erhielt er als Wiederholungstäter - ebenfalls erfolgreich angefochten und eine Halbierung der Sperre erreicht. Seitdem ist der Olympia-Dritte von 2012 und WM-Zweite von 2013 kontinuierlich schneller geworden. Am Montag in Linz bestätigte der 32-Jährige in 9,82 Sekunden, dass er derzeit die Nummer eins im Sprint ist und er seine gültige Bestzeit von 9,79 Sekunden knacken kann.
Dass zwei Jahre vor den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro die ehemaligen Doping-Sünder das Sprint-Geschehen bestimmen, liegt auch an der Abwesenheit des lange verletzten Superstars Usain Bolt. Der 27 Jahre alte sechsfache Olympiasieger will bei den Commonwealth Games in Glasgow wieder auf der Bühne erscheinen. Allerdings wird er wohl nur in der 4 x 100-Meter-Staffel antreten, „wenn die Verantwortlichen glauben, dass ich eine Hilfe für das jamaikanische Team sein kann“, ließ er bescheiden wissen. Am 2. August, dem Staffel-Finaltag im Hampden Park, wird man es sehen können.