DLV-Brief an Bach: „Sorge der Athleten ernst nehmen“
Darmstadt (dpa) - Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) appelliert in einem Offenen Brief an IOC-Präsident Thomas Bach, nach den jüngsten Doping-Skandalen entschlossen zu reagieren und Russland nicht an den Rio-Spielen teilnehmen zu lassen.
„Die Erkenntnisse der jüngeren Vergangenheit zu den Olympischen Spiele 2008 und 2012 haben gezeigt, dass die Chancengleichheit ganz offensichtlich nicht durchgängig gegeben war“, heißt es in dem Schreiben, das Verbandspräsident Clemens Prokop auf Bitten von DLV-Athleten an das Internationale Olympische Komitee (IOC) geschickt hat.
Damit seien nicht nur Athleten betrogen, sondern auch das IOC und die olympische Idee hintergangen worden. „Ich bitte Sie daher, die Sorge der Athleten ernst zu nehmen und alle Möglichkeiten für glaubwürdige und chancengleiche Wettkämpfe in Rio auszuschöpfen“, schreibt Prokop. „Dies sind wir gemeinsam den Athleten schuldig.“
Das Council des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF wird am 17. Juni über einen Ausschluss der Leichtathleten Russlands von den Olympischen Spielen entscheiden. „Für den Fall eines Ausschlusses wird bereits jetzt diskutiert, ob dann den Athleten, die negative Dopingtests vorweisen, ein Start in Rio gestattet werden soll“, heißt es in dem Brief weiter. In diesem Zusammenhang sei auch die Ankündigung des IOC zu sehen, die Anzahl der Dopingkontrollen vor Rio zu verdoppeln und vor allem in Ländern wie Russland und Kenia durchführen zu lassen.
„Nach den bekannten Fakten über die Wirkung entfaltet Doping seinen größten Nutzen, wenn es in den Zeiten der höchsten Trainingsbelastung genommen wird, im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2016 also im Herbst 2015 und im Frühjahr 2016“, erklärte Prokop. Nur wenn in diesen Zeiträumen vergleichbare Kontrollbedingungen bestanden hätten, bestünde in Rio auch Chancengleichheit im Wettkampf. Die Zeit unmittelbar vor den Olympischen Spielen spiele aber bezüglich der Wirkung des Dopings „eine nachgeordnete Rolle“. Und die möglicherweise jetzt eingeleiteten strukturellen Maßnahmen in Ländern mit Defiziten hätten „keinerlei kurzfristige Auswirkungen auf eine glaubwürdige Wiederherstellung von Chancengleichheit.“
Medienberichten zufolge solle in einigen Ländern aber gerade zu den für Doping maßgeblichen Zeiten kein Kontrollsystem entsprechend der Vorgaben der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA bestanden haben. „Wenn Athleten aus diesen Ländern trotzdem in Rio starten dürfen, sehen Athleten des DLV das Prinzip der Chancengleichheit nicht mehr gewahrt, da in diesem Fall keine belastbare Aussage getroffen werden kann, ob ein Athlet Dopingmittel genutzt hat oder nicht“, heißt es in dem Brief.