EM und Olympia: Spagat für Leichtathleten
Berlin (dpa) - Vier tolle Tage in Helsinki - und dann mit Gold zurück nach Berlin! Beim Kurz-Trip an den Finnischen Meerbusen will sich Diskuswurf-Recke Robert Harting am letzten Juni-Abend seinen ersten EM-Titel holen.
Dass fünfeinhalb Wochen später schon Olympische Spiele steigen, lässt den heißen Medaillenkandidaten kalt. „Ich finde es sehr gut, dass zwei internationale Wettkämpfe stattfinden. So kann sich die Leichtathletik ein bisschen in den Vordergrund schieben“, meinte der zweifache Weltmeister.
„Die Europameisterschaft ist kein Ereignis zweiter Klasse. Ganz einfach: Wer in Helsinki nicht antritt, kann nicht Europameister werden“, sagte Günther Lohre, Vizepräsident Leistungssport im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), der Nachrichtenagentur dpa. „Die Athleten sind in der Lage, drei Top-Leistungen im Jahr zu bringen.“ Im DLV gab es nie Zweifel an der Planung, die größtmögliche und stärkste Mannschaft nach Helsinki zu schicken. Lohre: „Alles andere sind doch Diskussionen vom vorigen Jahrhundert.“
Für den 2,01-Meter-Mann Harting beginnt die Reise nach Finnland am 28. Juni. Einen Tag später muss er zur Qualifikation in den Ring, am 30. Juni steigt abends, 19.10 Uhr Ortszeit, im Olympiastadion das Finale. Unmittelbar nach der Siegerehrung am Sonntagnachmittag (1. Juli) ist für den 27-Jährigen der Rückflug gebucht - möglichst mit der Goldmedaille im Gepäck. Silber hat er schon vor zwei Jahren in Barcelona erkämpft, 40 Zentimeter fehlten ihm damals zum Triumph. 16 Medaillen (4/6/6) brachten die deutschen Läufer, Werfer und Springer aus der Olympia-Stadt von 1992 mit nach Hause.
Auch die anderen DLV-Asse arrangieren sich irgendwie mit der „Doppelschicht“ aus EM und Olympia. Dass es nach dem Wechsel zum Zwei-Jahres-Rhythmus erstmals eine Europameisterschaft im Olympia-Jahr gibt, ist schließlich lange bekannt. „EM ist halt EM. Und Olympia ist halt das, auf was man sich vorbereitet“, sagte Speerwerferin Christina Obergföll, die im 94-köpfigen deutschen Team zu den Medaillenkandidaten zählt. „Helsinki ist für mich so was wie ein Meeting - wenn ich da 'ne Medaille gewinne, fragt mich hinterher kein Mensch mehr“, versicherte die EM-Zweite von Barcelona.
„Schade, dass man zwei Höhepunkte in einem Jahr machen muss. Das finde ich persönlich nicht so gekonnt“, monierte Diskuswerferin Nadine Müller. „Aber wenn sie es so haben wollen, dann müssen sie auch damit rechnen, dass nicht bei jedem Ereignis die A-Liga dabei ist.“ Irrtum! Die besten europäischen Leichtathletik-Nationen gehen mit „voller Kapelle“ an den Start, die Briten hatten vor den Trials am Wochenende 109 Athleten vorläufig nominiert. Viele Stars starten zwischen EM und Olympia sogar noch in der Diamond League, ob in Paris (6. Juli), London (13./14. Juli) oder in Monaco (20. Juli).
Und überhaupt ist das Thema durch, bevor die EM angefangen hat. „Bei Olympia stehen alle bei Null im Ring!“, betonte Kugelstoß- Weltmeister David Storl, der das Jahr mit seinem Trainer Sven Lang behutsam geplant hat. „Ich will die Saison nicht über's Knie brechen und bis zur EM mein ganzes Pulver verschießen“, hatte der 21 Jahre alte Chemnitzer schon zum Freiluft-Start Mitte Mai in Halle/Saale angekündigt.