IAAF-Chef Diack: „WM durch Doping-Fälle nicht beschädigt“
Düsseldorf (dpa) - Doping-Skandale im Sprint und der Türkei, Sicherheitssorgen, Zuschauer-Probleme und eine Rekordteilnehmerzahl: Die 14. Auflage der Leichtathletik-WM in Moskau wird zur vielleicht größten Herausforderung in der 30-jährigen Geschichte der Titelkämpfe.
„Ich glaube nicht, dass die jüngsten Doping-Fälle die WM oder die Leichtathletik beschädigen“, sagte Lamine Diack, Präsident des Weltverbandes IAAF, „vor allem weil wir seit Jahrzehnten an der Spitze des Anti-Doping-Kampfes stehen.“
Sein deutsches Councilmitglied Helmut Digel hält die Doping-Fälle der Supersprinter Tyson Gay (USA) und Asafa Powell (Jamaika) zwar für ein „Warnsignal“, aber ebenso für ein positives Zeichen. „Welcher andere Verband zieht denn seine Topstars aus dem Verkehr?“, sagte er am Montag. Allerdings warnte er auch davor, das Marketing der IAAF zu besonders auf die blitzschnellen Topstars mit Vorläufer Usain Bolt an der Spitze auszurichten. „Dieses Risiko ist nicht kalkulierbar“, so Digel.
Der jamaikanische Olympiasieger hält sich zum Thema Doping seit den Enthüllungen sehr bedeckt und verzichtet übrigens vor seinem 100-Meter-Auftritt am Samstag in Moskau erstmals vor einer WM auf das übliche Medien-Ballyhoo.
In der russischen Metropole geht es für die IAAF aber nicht nur darum, Glaubwürdigkeit nach den Doping-Fällen - zu denen auch noch neun nach positiven Tests gesperrte türkische Leichtathleten gehören - zurückzugewinnen. Vielmehr ist nach dem Bombenattentat auf den Boston-Marathon am 15. April auch die Sicherheit im 80 000 Zuschauer fassenden Luschniki-Stadion ein großes Thema.
„Wir haben ein Sicherheitskonzept und es wird alles getan, was möglich ist“, erklärte Digel. Absolute Sicherheit gebe es aber nicht. „Auch bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta konnte man einen Anschlag nicht verhindern. In Moskau wird man aber so sicher wie in jeder Hauptstadt der Welt sein.“
Geschützt werden müssen so viele Athleten aus so vielen Ländern wie nie zuvor. 1974 Sportler (1106 Männer/868 Frauen aus 206 Nationen haben für die Wettkämpfe in 47 Disziplinen gemeldet. Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) schickt 67 Starter. „Die Athleten werden so gut sein wie nie zuvor“, urteilt Digel. „Da sieht man, dass eine Leistungsexplosion in der Welt zu beobachten ist.“ Schließlich hätten die Qualifizierten die „ja nicht niedrigen“ IAAF-Normen geschafft. Allerdings könnte dies in Zukunft auch zu Problemen bei der WM führen: „Wir haben jetzt schon eher zu viele Athleten.“
Sorgen macht sich der Tübinger Sportsoziologe auch um die Zuschauer-Resonanz bei der Moskauer WM, denn der Vorverkauf sei sehr zögerlich gewesen. „Man setzt auf organisierte Zuschauerschaften“, sagte Digel. „Da sieht man, dass die russische Leichtathletik hervorragende Sportler vorweisen kann, sie ist aber nicht Teil der Kultur.“
Dagegen erwartet er, dass der Gastgeber sportlich große Akzente setzen wird. „Russland könnte den Heimvorteil nutzen und erstmals die USA schlagen, aber nur, wenn die Jamaikaner und Mittelamerikaner die USA in ihren Hochburgen piesacken, also von 100 bis 400 Meter“, glaubt Digel.
Trotz des im DLV-Teams eingeleiteten Generationswechsels im Jahr eins nach den Olympischen Spielen in London erwartet Digel von den deutschen Spitzenkräften um Diskus-Star Robert Harting eine starke Leistung. „Eine WM ist nie ein Übergangsjahr. Die deutschen Athleten wollen in Moskau zeigen, dass sie so gut sind wie in London und das Niveau halten können“, sagte Digel. „Ich denke, dass wir ähnlich viele Medaillen machen, wenn auch vielleicht nicht die gleiche Farbe, wie in London - vielleicht sogar mehr.“ Von der Themse kehrten die DLV-Asse immerhin mit acht Medaillen zurück.