Russlands Leichtathleten erwarten IAAF-Urteil
Berlin (dpa) - Ende oder Wende? Dürfen Russlands Leichtathleten bei den Olympischen Spielen in Rio starten? Gibt es einen Kompromiss? Die mit Spannung erwartete Entscheidung soll heute in Wien verkündet werden.
Das 27-köpfige Council des Weltverbandes IAAF muss mit Blick auf den Dopingskandal in Russland ein historisches Urteil fällen. Ein Olympia-Bann droht - aber auch ein Kompromiss ist möglich. Denn bei einer Kollektivstrafe dürften die sauberen Athleten auf die Barrikaden gehen. Die Deutsche Presse-Agentur beleuchtet die wichtigsten Aspekte der Affäre.
DER FALL: Am 3. Dezember 2014 strahlt die ARD die Dokumentation „Geheimsache Doping - Wie Russland seine Sieger macht“ aus. Die Erfolge russischer Leichtathleten seien das Ergebnis von Sportbetrug - zum Teil unter Mithilfe des Staates. Dafür gibt es zahlreiche Beweise und Belege - sowie zwei namhafte Kronzeugen. Die Welt-Anti- Doping-Agentur WADA legt am 9. November 2015 einen 323-seitigen Bericht vor, der ein Schreckensbild der Doping-Praktiken in der russischen Leichtathletik zeichnet. Am 13. November 2015 suspendiert die IAAF den Gesamtrussischen Leichtathletik-Verband WFLA.
DIE VORWÜRFE: Staatliches systematisches Doping, Vertuschung von Kontrollen und Korruption. Trainer und Funktionäre sollen den Betrug befördert und gedeckt haben. Im Moskauer Doping-Kontrolllabor soll ebenfalls gemauschelt worden sein. Selbst Sportminister Witali Mutko sei in viele Vorgänge eingeweiht gewesen. Zwei Tage vor der Entscheidung erhebt die WADA erneut schwere Vorwürfe: Zwischen dem 15. Februar und 29. Mai konnten in Russland 736 geplante Dopingkontrollen nicht durchgeführt werden. So sollen Kontrolleure von Athleten massiv behindert und von Beamten des russischen Geheimdienstes FSB eingeschüchtert worden sein.
DAS LABOR: Am 10. November entzieht die WADA dem Moskauer Doping-Kontrolllabor in Moskau die Akkreditierung. Dessen ehemaliger Chef, Grigori Rodschenkow, bezeichnet sich als Vater des staatlichen, systematischen Dopingprogramms. Er bietet sich dem IOC als Kronzeuge an. Bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi seien 15 russische Medaillengewinner gedopt gewesen. Mit Hilfe gefälschter Urinproben sei Doping verschleiert worden, sagte Rodschenkow.
DIE KRONZEUGEN: Zwei „Whistleblower“ spielen bei den Enthüllungen eine entscheidende Rolle. Ohne das Insider-Wissen von Witali Stepanow und seiner Ehefrau, der Läuferin Julia Stepanowa, wäre die Aufdeckung nicht möglich gewesen. In der ARD-Doku berichten beide über Einzelheiten des Dopingsystems. Die Stepanows leben seither an einem unbekannten Ort in den USA. In Russland gelten sie als Verräter.
DAS URTEIL: 25 der 27 Councilmitglieder des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF um Präsident Sebastian Coe entscheiden am (heutigen) Freitag darüber, ob die Sperre für den WFLA Bestand hat. In diesem Fall dürfte kein russischer Leichtathlet bei Olympia in Rio de Janeiro (5. bis 21. August) starten. Um 17.00 Uhr soll die Entscheidung auf einer Pressekonferenz im Wiener Grand Hotel verkündet werden. Der Fernsehsender Phoenix berichtet live.
DIE REGEL: Der Ethik-Code des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF gibt dem Council mit der Regel 45 das Recht, einen Mitgliedsverband von internationalen Wettkämpfen wegen des Verstoßes gegen die Anti-Doping-Regeln zu suspendieren. Unter Punkt 1. heißt es: „Das IAAF-Council kann Strafen gegen ein Mitglied des Weltverbandes verhängen, wenn es gegen die Anti-Doping-Regeln verstößt.“
DER KOMPROMISS: Der Verband bleibt suspendiert - die nachweislich sauberen russischen Leichtathleten dürfen aber in Rio starten. Denn eine Kollektivstrafe ist umstritten. Ein Startrecht für Olympia würde aber an harte Auflagen geknüpft: drei Zielkontrollen müssten die russischen Athleten vor Olympia nachweisen.