DLV-Asse gegen Rio-Start der Russen
Berlin (dpa) - Keine Gnade für die Russen - aber eine Hintertür nach Rio für die sauberen Sportler: Die deutschen Leichtathletik-Asse sind mehrheitlich für einen Ausschluss des russischen Verbandes wegen der Dopingskandale in dem Riesenreich.
„Die russischen Leichtathleten bei Olympia starten zu lassen, wäre das falsche Signal“, sagte die frühere Hammerwurf-Weltrekordlerin Betty Heidler in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. „Die Dinge, die dort abgelaufen sind, sind belegt. Um die Glaubwürdigkeit der Leichtathletik und der guten Leistungen wieder herzustellen, muss man ein klares Statement geben. Es sollte eine Suspendierung erfolgen.“
Der Leichtathletik-Weltverband IAAF entscheidet am Freitag in Wien, ob die seit November 2015 wirksame Sperre gegen den gesamten russischen Verband bestehen bleibt. In diesem Fall dürften die Athleten um Superstar Jelena Issinbajewa auch bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro (5. bis 21. August) nicht antreten.
Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA erhob am Mittwoch erneut schwere Vorwürfe: Zwischen dem 15. Februar und 29. Mai konnten in Russland 736 geplante Dopingkontrollen nicht durchgeführt werden können. So sollen Kontrolleure von Athleten massiv behindert und von Beamten des russischen Geheimdienstes FSB eingeschüchtert worden sein. Zudem seien Pakete mit Dopingproben vom russischen Zoll manipuliert worden. Außerdem hätten Athleten falsche Angaben über ihren Aufenthaltsort gemacht und versucht, Dopingtests bei Wettbewerben zu umgehen. So hätten zum Beispiel Athleten als Aufenthaltsort oft militärische Einrichtungen angegeben, zu denen man aber nur mit einer Sondergenehmigung den Zutritt erhält.
Diskuswurf-Olympiasieger Robert Harting brachte einen Kompromiss ins Spiel, der nicht ganz aus der Luft gegriffen scheint. „Viele Länder werden ja kreativ, wenn es um die eigene Flagge geht. Es wäre aber auch toll, wenn man es hinbekommt, dass saubere russische Sportler, die es ja ohne Zweifel gibt, in Rio starten“, meinte der Berliner. „Das tut Russland - glaube ich - viel mehr weh: wenn man Athleten findet, die sauber sind und sie unter IOC-Flagge starten lässt. Das wäre beschämend für das Land“, sagte Harting.
„Wenn die ganzen Enthüllungen stimmen, dann bin ich persönlich der Meinung, dass Russland ausgeschlossen bleiben muss“, meinte Deutschlands neue Weitsprung-Hoffnung Alexandra Wester, Siegerin beim ISTAF Indoor. Man müsse ein Zeichen setzen - „für die deutsche Leichtathletik, für den deutschen Sport, für den Anti-Doping-Kampf“.
Kugelstoßerin Christina Schwanitz sprach sich gegen eine Kollektivstrafe aus. „Ich weiß nicht, ob das der Gedanke wirklich ist und noch der Sache dient, eine Nation völlig vom Sport auszuschließen“, sagte die Weltmeisterin aus Sachsen. „Ich bin der festen Überzeugung, es gibt Sportler, die das ehrlich und fair machen. Und denen sollte man nicht die Möglichkeit verwehren, sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren.“
Auch Speerwurf-Weltmeisterin Katharina Molitor ist für Ausnahmen. „Vielleicht gibt es Athleten, die regelmäßig von der WADA kontrolliert werden konnten und bei denen die WADA nahezu sicher sein kann, dass sie nicht im russischen Dopingsystem sind. Für diese Athleten sollten meiner Meinung nach Ausnahmen gemacht werden.“ Die Leverkusenerin sagt aber auch: „Ich denke, es wäre ein gutes Zeichen, dass systematisches Doping hart bestraft wird.“
Für Marathon-Rekordhalter Arne Gabius kommt nur eine Suspendierung in Frage. „Es muss ein klares Signal gesetzt werden, sonst wird eine Chance vertan“, sagte der Hamburger. „Wenn man ein Land sperrt und noch ein Hintertürchen öffnet, um Athleten, die in den letzten x Monaten unabhängig kontrolliert wurden, noch teilnehmen zu lassen, dann unterläuft man damit eine harte Strafe.“
Weltklasse-Stabhochsprung Raphael Holzdeppe weist auf ein Problem hin. „Mein Gefühl sagt mir, dass am Freitag eine Suspendierung des russischen Leichtathletik-Verbandes ausgesprochen wird“, meinte der Weltmeister von 2013. „Aber mein Gefühl sagt mir wiederum auch, dass die russischen Leichtathleten, die absolut keine Dopingvergangenheit hatten, dass die dann dieses Urteil anfechten werden und gegebenenfalls unter der olympischen Flagge in Rio zu sehen sein werden.“