Schraders schmerzvolle Zehnkampf-Karriere
Frankfurt/Main (dpa) - Schmerzen, sagt Michael Schrader, will er manchmal „einfach nicht wahrnehmen“. Dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) wiederum tut es weh, dass sein Top-Zehnkämpfer in den vergangenen Jahren schon so oft wegen Verletzungen ausgefallen ist.
Beim Traditionsmeeting am Wochenende im österreichischen Götzis bestreitet Schrader seinen ersten Wettkampf, seit er im August 2013 in Moskau Vize-Weltmeister geworden ist. „Ich bleibe realistisch, greife nicht nach den Sternen und mache keine großen Ankündigungen“, sagt er. „Ich möchte in Götzis einen vernünftigen Zehnkampf hinlegen, über Punkte möchte ich nicht sprechen.“
Die WM-Norm für Peking - 8200 Zähler - sind natürlich ein Ziel. Für Schrader, der sich in Moskau nur Weltrekordler Ashton Eaton geschlagen geben musste, ist das eigentlich kein Problem - wenn er gesund bleibt. Seine Bestleistung von 2013 steht bei 8670. Wie einst Frank Busemann, dem Sonnyboy und Olympia-Zweiten von Atlanta 1996, hat auch Schrader die Erfahrung machen müssen, dass der Körper manchmal seinen eigenen Talenten nicht gewachsen ist.
Beim Aufstehen hat der gebürtige Duisburger immer erst mal Schmerzen. „Genauer in beiden Sprunggelenken, wie jeden Tag. Das verläuft sich aber nach ein paar Stunden.“ Wegen Stressfrakturen und einem Ermüdungsbruch im Kahnbein verpasste der Soldat die WM 2009 in Berlin und die Olympischen Spiele 2012. Im Jahr nach seinem WM-Erfolg war er wieder da, doch dann bremste ihn ein Riss der Patellasehne aus und die EM in Zürich fand ohne statt.
Doch „Aufgeben gilt nicht“, so hieß Busemanns Biografie, und dieses Motto machte sich auch Schrader zu eigen. Einer, der „am liebsten den ganzen Tag Sport machen würde“. Die Testwettkämpfe mit 7,80 Meter im Weitsprung in Garbsen und 14,08 Sekunden über 110 Meter Hürden in Neuwied sind gut gelaufen. Bundestrainer Rainer Pottel betont jedoch, dass die Wahrheit „nicht am Zehnkampf vorbeiführt, wenn mehrere Disziplinen aneinandergereiht werden“. Auch der frühere DDR-Meister sieht „gewisse Ähnlichkeiten“ zur Karriere von Busemann.
2009 hatte Schrader in Götzis mit 8522 Punkten die gesamte Konkurrenz geschlagen. Das dürfte dieses Jahr schwer werden: Der Amerikaner Ashton Eaton, der Olympiasieger von 2012 und Weltmeister von 2013, hat angekündigt, seinen Weltrekord von 9039 Punkten verbessern zu wollen. „Von den Werten, die mir von ihm bekannt sind, ist das sehr realistisch“, sagt sein deutscher Rivale.
Er selbst sei auf einem guten Weg nach Götzis: „Ich kann es kaum erwarten, endlich dort starten zu können. Ich fühle mich so, als wäre ich nie weggewesen.“ Als zweite Qualifikations-Teilnahme gäbe es noch das Meeting am letzten Juni-Wochenende in Ratingen, nur 20 Kilometer von seinem Elternhaus entfernt. Schrader trainiert aber in Halle/Saale zusammen mit seinem Rivalen und „best friend“ Rico Freimuth.
Er träumt vom Olympiasieg 2016 in Rio de Janeiro - auch wenn der Weg dorthin manchmal verdammt wehtut. „Ich denke, dass nach dem Karriereende selbst meine Fußschmerzen verschwinden und ich noch in einer Altherren-Truppe Fußball spielen kann“ sagt Schrader.