Sprint-König Reus kümmert sich nicht um Rekord
Ulm (dpa) - Die deutschen Sprinter rückten bei den nationalen Titelkämpfen endlich mal wieder in den Blickpunkt. Der Wattenscheider Julian Reus feierte einen Doppel-Sieg und das Erreichen der WM-Normen über 100 und 200 Meter.
„Das war Arbeit“, stöhnte er.
Im Lauf geht nichts! Dieses Bonmot kursierte über Jahre im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) und galt besonders für den Sprint. Lichtblicke gab es immer wieder wie den EM-Titel über 100 Meter von Verena Sailer 2010 oder durch Tobias Unger, der 2004 Dritter der Hallen-WM wurde.
Bei den deutschen Meisterschaften in Ulm lief Reus nun ins Rampenlicht. „Hattet ihr ein schönes Wochenende? Ich schon. Titelverteidigung mit WM-Norm und Bestzeit in 20,36 Sekunden. Nice!“, schrieb der 25-Jährige seinen Facebook-Fans. Allerdings war es auch anstrengend. „Das war Arbeit. Im fünften Rennen noch Bestzeit über 200 Meter zu laufen, zeigt aber auch, dass ich ganz gut belastbar bin“, sagte Reus.
Allerdings spielte sein Körper in seiner Karriere nicht immer mit. 2007, als er bei der U 20-EM Gold über 100 Meter und mit der Staffel gewann, galt er schon als großes Talent. Statt weiter nach oben zu flitzen, plagten ihn jahrelang Verletzungen.
Erst im Olympia-Jahr ging es wieder aufwärts. Mit 10,09 Sekunden näherte er sich dem deutschen Rekord des Magdeburgers Frank Emmelmann aus dem Jahr 1985 bis auf drei Hundertstelsekunden. In Ulm holte er sich den 100-Meter-Titel mit 10,14 Sekunden („Das war noch nicht die Perfektion“) und qualifizierte sich nicht nur für die Weltmeisterschaften (10. bis 18. August), sondern bewies sich auch als Anwärter auf die Emmelmann-Bestmarke. „Jetzt habe ich die Norm, dann kommt als nächstes Ziel die Bestzeit“, meinte Reus. „Erst danach kann ich mich um den deutschen Rekord kümmern.“
Auch über 200 Meter lief er in der ewigen deutschen Bestenliste nach vorn, genauer gesagt an die vierte Stelle. „So etwas kann man nicht planen. Ich wusste, dass ich 20,50 Sekunden laufen kann, nun war es schneller als erwartet. Ich bin völlig zufrieden“, freute sich der gebürtige Hanauer und Play-Station-Fan.
Die 200 Meter mag der Ausnahmerenner gern („Dafür habe ich ein gutes Feeling“), aber bei der WM wird er wohl nur über 100 Meter und in der Staffel starten. „Es wird wahrscheinlich darauf hinauslaufen, den Fokus auf die 100 Meter zu legen, weil sich das besser mit dem Staffeltraining vereinbaren lässt“, meinte Reus. „Für mich ist die Staffel sehr wichtig. Da sind wir sehr gut aufgestellt.“
Ein Grund für die zunehmende Beschleunigung ist die Zusammenarbeit mit dem britischen Sprintrainer Tony Lester, der einst Topathleten wie Roger Black oder Marlon Devonish trainierte und den der DLV in diesem Jahr als Berater verpflichtet hat. So hat Lester mit den deutschen Sprintern im Trainingslager in den USA an der Lauftechnik gefeilt. „Da ist einiges erarbeitet worden“, sagte Reus.
Zufrieden sein konnte auch Ex-Europameisterin Verena Sailer, die nicht nur ihren siebten deutschen Meistertitel gewann, sondern mit 11,09 Sekunden über 100 Meter glänzte. „Ich tue mich immer schwer, mir Zeiten vorzunehmen. Da verkrampft man schnell“, sagte die Mannheimerin und machte Werbung für die schnellen DLV-Läufer: „Die Sprinter insgesamt können wieder ein Wörtchen mitreden in Europa.“