Storl verliert im Kugel-Krimi von Peking - Aber Silber
Peking (dpa) - Im Kugel-Krimi von Peking hat David Storl gerade noch WM-Silber gerettet.
„Ich bin froh, dass ich die 21,74 Meter noch stoßen konnte. Es hätte auch ganz anders ausgehen können“, sagte der 25-jährige Chemnitzer mit einer Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung. Schließlich hatte er seinen dritten Weltmeistertitel im Visier, wäre aber beinahe sogar ohne Medaille geblieben. Besser hatte es einen Tag zuvor seine Trainingskollegin Christina Schwanitz gemacht, die ihr erstes WM-Gold gewann.
Nicht nur der frühere American-Football-Spieler Joe Kovacs, dem im fünften Versuch die Siegerweite von 21,93 Meter gelang, machte dem Weltmeister von 2011 und 2013 das Leben schwer: Nach dem vierten Versuch lag nicht nur der US-Koloss vor ihm, sondern unerwartet auch O'Dayne Richards (Jamaika), der am Ende mit 21,69 Meter Dritter wurde, und der Neuseeländer Thomas Walsh.
„Es war ein verkrampfter Wettkampf, der an mir vorbeigelaufen ist“, bekannte Storl. „Ich bin überhaupt nicht reingekommen und habe auf dem Weg ins Stadion irgendwie meine Linie verloren.“ Der Schweizer Werner Günthör und John Godina aus den USA bleiben damit die beiden einzigen Kugelstoßer, die dreimal Weltmeister wurden.
Im „Vogelnest“-Stadion hatte ihm Schwanitz, die eine Stunde zuvor bei der Siegerehrung viele Freudentränen vergoss, auf der Tribüne die Daumen gedrückt. Beide trainieren seit vielen Jahren bei Sven Lang, dem erfolgreichsten deutschen Kugelstoß-Coach. Er muss nun seinen Ausnahmeathleten wieder aufrichten.
„Ich hoffe, dass ich das verarbeiten kann und es bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro besser wird“, sagte Storl, der 2012 in London Zweiter war und selbst in Tokio 2020 nicht den Endpunkt seiner Karriere sieht. „Ich habe noch einiges vor. Ich bin ja nicht gerade der älteste“, meinte er. „Und ich hoffe, dass ich mit Sven Lang die nächsten zehn Jahre noch zusammenarbeite.“
Gold für Schwanitz, Silber für Storl - das zeigte einmal mehr, dass auf die deutschen Kugelstoßer Verlass ist. „Na klar ist es eine gute Bilanz. Bei so einer starken Konkurrenz kann ich eigentlich zufrieden sein - persönlich bin ich es nicht, weil ich im Finale nicht richtig an mir arbeiten konnte“, sagte Storl, der nach dem zweiten Versuch auch noch einen Krampf in der rechten Wade bekam. „Man baut so viel Spannung auf. Dann ist es irgendwann zu viel und man bekommt einen Krampf. Der hängt einem nach.“
Ganz anders lief es in der Qualifikation am Vormittag. Da brauchte der Titelverteidiger nicht einmal die Jogginghose ausziehen. Fast lässig übertrumpfte der Ausnahmeathlet vom SC DHfK Leipzig im ersten Versuch mit 21,26 Meter die geforderten 20,65. „Ich war mir meiner Sache recht sicher, ich habe in diesem Jahr keinen Versuch unter dieser Qualifikationsweite gemacht“, sagte er voller Zuversicht und selbstbewusst.
Storls größter Rivale Kovacs ließ die Acht-Kilo-Kugel auch da schon mit 21,36 Meter am weitesten fliegen. Der Amerikaner war mit 22,56 Meter als Weltjahresbester angereist. Storl hatte in diesem Jahr mit 22,20 Meter erstmals die 22-Meter-Marke übertroffen.
Und es soll noch viel weiter gehen. Ohne Doping, das seit vielen Jahren ein Problem im Kugelstoßen ist. „Ich bin sauber, cleaner geht’s nicht“, versicherte Storl im Interview mit der „Welt“. Auch ohne verbotene Substanzen glaubt er, dem 25 Jahre alten Weltrekord von Randy Barnes (23,12 Meter) zumindest nahe kommen zu können. „Man kann große Weiten ohne zu dopen stoßen. Davon bin ich felsenfest überzeugt“, prophezeite Storl. „Allein schon deshalb, weil ich selber in Rekordbereiche vorstoßen möchte.“