Anschluss verloren: McLaren ohne Hamilton in der Krise

Sepang (dpa) - Lewis Hamiltons Mitgefühl hält sich in Grenzen. Das McLaren-Team, lange Zeit seine Heimat in der Formel 1, ist nach Hamiltons plötzlichem Abschied zu Mercedes tief in die Krise gerutscht.

Und was sagt der Abtrünnige? „Ich schaue nicht zurück. Sie werden es schon wieder hinbekommen.“ Die Lage beim britischen Traditionsteam aber ist verfahren. Das Auto hat sich schon als Fehlkonstruktion erwiesen, im bisherigen Technik-Chef Paddy Lowe verlässt eine weitere Zentralfigur das Team bald Richtung Mercedes. Und der Titelsponsor macht sich demnächst auch aus dem Staub.

„Es ist ziemlich hart im Moment, aber wir sind ein starkes Team und müssen den Ausweg finden“, meinte Teamchef Martin Whitmarsh.
Noch im Herbst hatten sich viele Experten mächtig gewundert, als Hamilton das Siegerteam McLaren gegen den strauchelnden Werksrennstall aus Stuttgart eintauschte. McLaren hatte am Ende des Vorjahres das wohl beste Auto der Formel 1. Da sich die Regeln zur neuen Saison kaum änderten, wirkte das wie eine perfekte Basis für den Angriff auf den ersten Titel seit Hamiltons Triumph 2008.

Doch ziemlich überraschend entschied sich McLaren, das Auto ganz neu zu konzipieren. Das Ergebnis: In Australien fuhren Jenson Button und Neuzugang Sergio Perez mit Mühe auf die Plätze neun und elf. Der Rückstand zur Spitze ist gewaltig. „Uns fehlt der Abtrieb, uns fehlt die Stabilität. Es ist nicht nur ein Problem“, bekannte Perez. Der Beobachter der Londoner „Times“ sah in den Gesichtern der McLaren-Crew bereits „Verzweiflung“ über ein „rätselhaftes Auto“.

Button, der Weltmeister von 2009, stellt sich vor dem zweiten Saisonrennen in Malaysia am Sonntag schon auf bittere Monate ein. „Das ist nichts, was wir über Nacht ändern können“, erklärte der 33-Jährige. Die Schwächephase zur Mitte der Vorsaison sei mit der aktuellen Notlage nicht vergleichbar. „Es muss noch viel mehr passieren als im vergangenen Jahr, damit wir wieder zur Spitze aufschließen können“, urteilte Button.

Da kommt die beschlossene Trennung von Top-Ingenieur Lowe zur Unzeit. Der 50-Jährige wurde wegen seines wohl sicheren Wechsels zu Mercedes bei McLaren für diese Saison kalt gestellt, damit er nicht zu viele frische Interna mitnehmen kann. Seine Expertise dürfte sein alter Arbeitgeber aber bei der Aufholjagd vermissen.

Und auch finanziell muss der zweitälteste Rennstall der Formel 1 um den Anschluss bangen. Nach sechs Jahren stellt der Telekomriese Vodafone zum Saisonende seine Zahlungen ein. Zudem muss McLaren wegen der Scheidung vom langjährigen Partner Mercedes inzwischen Millionen für seine Motoren bezahlen. So wurde in Perez ein Fahrer verpflichtet, der frische Sponsoren aus Mexiko mitbringt, aber längst nicht das Kaliber seines Vorgängers Hamilton hat. So etwas wie ein Bezahlfahrer beim stolzen McLaren-Team - vor kurzem war das noch undenkbar.

Und so dürften sie in stillen Stunden im mittelenglischen Woking noch ihrem verlorenen Sohn Hamilton nachtrauern. Der aber hat mit der Vergangenheit abgeschlossen. „Lewis hat mir gesagt, er hätte sich eher ein Jahr Auszeit genommen, als weiter für McLaren zu fahren“, verriet Formel-1-Chef Bernie Ecclestone. Hamiltons Gefühl hat ihn offenbar nicht getäuscht.