Formel-1-Probleme: Jagd auf Mercedes und Suche nach Motoren
Austin (dpa) - Zwei Jahre Silberpfeil-Dominanz reichen der Konkurrenz und Bernie Ecclestone. Die eintönige Überlegenheit des deutschen Werksteams mit Dauersieger Lewis Hamilton soll zum Wohle der gesamten Formel 1 nach 2016 ein Ende haben.
„Unser größtes Problem ist, dass wir ziemlich genau wissen, wer Weltmeister dieses Jahr wird“, sagte Formel-1-Geschäftsführer Ecclestone vor dem Großen Preis der USA: „Das kann nicht richtig sein.“
Die Leute würden das Ergebnis nicht schon vor dem Start kennen wollen, betonte der bald 85 Jahre alte Brite am Samstag im Fahrerlager von Austin. Langeweile ist Leerlauf im Formel-1-Business. Sie schadet letztlich sogar den Silberpfeilen selbst, die seit der Umstellung auf die Turbo-Technik mit Hybrid zur Saison 2014 die Königsklasse des Motorsports fast nach Belieben anführen. Man agiere auf einer Plattform, „auf der es konkurrenzfähige Teams geben muss“, betonte jüngst Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.
Er wünscht sich Konkurrenz-Hersteller, die mit Mercedes auf Augenhöhe fahren. Ferrari ist kurz davor. Die anderen, sprich Renault und Rückkehrer Honda, hecheln hinterher. „Wir müssen den anderen Luft zum Atmen geben“, betonte Wolff. Heißt: Mercedes macht Kompromisse und willigt ein, die Motoren entgegen ursprünglicher Planungen in der nächsten Saison weiter entwickeln zu dürfen. „Das ist ein Schritt, von dem wir glauben, dass er allen etwas bringt“, meinte Wolff am Rande des US-Rennens in Austin.
Die Verfolger erhoffen sich, das Defizit gegenüber dem deutschen Autobauer mit seinem Antrieb zu minimieren - und noch mehr. „Wir wollen den Rückstand nicht nur weiter verringern, wir wollen vor sie“, betont Sebastian Vettel von Ferrari.
In diesem Jahr gelang es bis zum US-Rennen nur ihm, dem viermaligen Weltmeister aus Heppenheim, Hamilton und dessen Teamkollegen Nico Rosberg im Kampf um Grand-Prix-Siege zu schlagen. Seit Anfang 2014 feierte Mercedes bis Austin 28 Siege, 19 mal gelang dem britisch-deutschen Duo ein Doppelerfolg. 2014 konnte nur Daniel Ricciardo mit drei Siegen die silberne Phalanx durchbrechen.
Keine Frage, Mercedes hatte seine Hausaufgaben bei der Umstellung auf die neuen Motoren besser gelöst als alle anderen Hersteller. Auch deswegen gab es Gespräche, von Red-Bull-Verantwortlichen mit den Silberpfeilchefs darüber, ob sie Red Bull mit Motoren versorgen könnten. Die Mercedes-Chefs lehnten aber ab. Auch Ferrari will den ehemaligen Branchenführer nicht ausrüsten, ein Honda-Engagement scheiterte am Veto von Ron Dennis, dem Boss von Partner McLaren. Das verriet Ecclestone en passant in Austin. Red Bull und das Schwester-Team Toro Rosso drohten mit Rückzug, sollten sie keinen adäquaten Antrieb bekommen.
Die verzweifelte Suche nach einem Motor, der sie wieder zu Weltmeistern macht, hat die Dauer-Diskussion um die Antriebe verschärft. Dass sie für viele zu leise sind, ist lange bekannt. Dass sie den meisten zu langsam sind, auch.
Nun sollen von 2017 an die Motoren wieder neu gemischt werden - buchstäblich. Eine abermals gravierende Reform, nachdem die letzte schon Unsummen an Geld verschlungen hat, soll der Langeweile entgegenwirken. Getreu dem Motto: Alles lauter, alles schneller.
Und irgendwie auch günstiger. „Man kann den Leuten nicht vorschreiben, wie viel Geld sie ausgeben“, meinte Ecclestone. Man könne aber dafür sorgen, dass man konkurrenzfähig sei, ohne viel zu zahlen. Wirklich geklappt hat das nur selten, so wie bei BrawnGP 2009 Dank der genialen Doppeldiffusor-Idee.
Und das ist der Plan: Weil Kundenteams sich seit einiger Zeit über die horrenden Gebühren für die Antriebe beklagen, soll es einen unabhängigen Lieferanten geben. Allerdings würde es sich dabei nicht um dieselbe Art Antrieb (1,6 Liter Turbo) handeln, sondern einen 2,2 Liter V6-Biturbo. Über ein Ladedruck-Limit werde geregelt, dass dieses Kundentriebwerk mit den aktuellen Motoren mithalten kann, schrieb „Auto, Motor und Sport“. Preis der Einheiten: sechs Millionen Euro. Die derzeitigen Kosten sollen Schätzungen zufolge um die 20 Millionen betragen.
Unter den Herstellern soll sich schon Widerstand breitmachen gegen diese Pläne. Wie vermittelbar eine Weltmeisterschaft ist, bei der wenige wohlhabende Teams mit solchen Motoren - die restlichen mehrheitlichen Rennställe mit anderen fahren, darf zumindest infrage gestellt werden. Und welchen Wert Erfolge unter diesen Umständen auf der wichtigen PR-Plattform Formel 1 für die Autobauer haben, erst recht.