Hintergrund: Die Akte Sauber
Melbourne (dpa) - Der Fall Sauber wirft viele Fragen auf. Der von einer Juristin geführte Formel-1-Rennstall verliert kurz vor dem Saisonauftakt dreimal vor Gericht und muss seinem ehemaligen Ersatzpiloten ein Cockpit überlassen.
Eine Entscheidung von großer Tragweite.
Worum geht es in dem Fall?
Der 29 Jahre alte Niederländer Giedo van der Garde hat sich vor Gericht erfolgreich den Platz in einem der beiden Sauber-Rennwagen erklagt. Er war im vergangenen Jahr der Ersatzpilot des Schweizer Teams. Man einigte sich damals auf eine Beförderung als Stammfahrer für dieses Saison. Am 28. November 2014 nannte Teamchefin Monisha Kaltenborn dem Internationalen Automobilverband FIA aber Marcus Ericsson und Felipe Nasr als Stammpiloten für 2015.
Was passierte dann?
Van der Garde zog vor Gericht. Zunächst in der Schweiz. Dort wurde von einem Schiedsgericht verfügt, dass Sauber alles zu unterlassen habe, was den Niederländer von einem Start abhalten könne. Dies sei rechtlich verbindlich, aber noch nicht rechtskräftig, teilte Sauber dazu am 6. März mit. Drei Tage später befasste sich der Supreme Court Victoria mit der nächsten Klage van der Gardes. Am Mittwoch gab dieses Gericht in Melbourne van der Garde Recht. Sauber legte Berufung ein und verlor auch diese am Donnerstag.
Welche Argumente hat Sauber vorgebracht?
Man habe die Einigung nicht mit van der Garde, sondern dessen Unternehmen bzw. Gesellschaft getroffen. Daher habe van der Garde auch kein persönliches Recht auf ein Cockpit. Zudem hieß es: van der Garde sei ein Sicherheitsrisiko, weil er den neuen Wagen noch nie gefahren sei und ein Einsatz so kurzfristig ohnehin nicht möglich. Beide Argumentationen konnten die Richter nicht teilen.
Was heißt das?
Van der Garde hat das Recht, beim Großen Preis von Australien an diesem Wochenende zu starten.
Ist das überhaupt möglich?
Eine Voraussetzung dafür ist die sogenannte Superlizenz. Dieser Führerschein ist jeweils nur für ein Jahr gültig. Nach letztem Stand hatte van der Garde bis Donnerstagabend diese Superlizenz nicht. Der Weltverband als Regelbehörde verweigerte konkrete Erklärungen zu dem Fall und zu Fristen. Nur soviel: Für eine Lizenz muss ein gültiger Vertrag vorliegen. Beantragt wird sie vom Team über den jeweiligen nationalen Verband bei der zuständigen FIA-Abteilung.
Wenn van der Garde fahren soll, wer muss dann von den anderen beiden Piloten weichen?
Sauber hat sich zu diesem Szenario bislang nicht geäußert.
Welche Folgen könnte es haben?
Nasr und Ericsson brachten dem Rennstall viele Sponsoren-Millionen mit. Fährt einer von beiden nicht und fließt kein Geld mehr, dürfte das existenzgefährdende finanzielle Folgen für Sauber haben. Bitter, weil das Privatteam seit 1993 im knallharten Formel-1-Geschäft überlebt hat und viele Jahre für eine solide Finanzpolitik stand.
Ist der Fall Sauber symptomatisch für die Formel 1?
Das kann man durchaus auch so sehen, auch wenn das konkrete Verhalten dadurch nicht zu entschuldigen ist. Durch die seit Jahren wachsende Geldnot musste das Team offenbar ein hohes Risiko eingehen. Fahrer, die Geld von Sponsoren mitbringen, sind für einige Teams der letzte Strohhalm. Im Fall von Sauber mit Teamchefin Monisha Kaltenborn boten sich offensichtlich durch Nasr oder Ericsson höhere Einnahmen.