Pirelli: Keine neuen Formel-1-Reifen für Kanada
Berlin (dpa) - Pirelli hat nach dem umstrittenen Reifentest von Mercedes eine Kehrtwende gemacht und die geplante Einführung neuer Gummimischungen für das kommenden Formel-1-Rennen in Kanada verschoben.
Der italienische Exklusiv-Hersteller entschied nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa, dass beim siebten WM-Lauf in anderthalb Wochen weiterhin mit den derzeitigen Reifen gefahren wird. Die Teams bekommen lediglich zum Training am Freitag jeweils zwei Sätze der neuen Hinterreifen, die der deutsche Mercedes-Rennstall bei seinem Test auf Pirelli-Bitte vom 15. bis 17. Mai ohne eigene Kenntnis ausprobiert hatte.
Die Entscheidung soll gefällt worden sein, um die sportliche Gleichheit zu gewährleisten. Erst beim Großen Preis von Großbritannien sollen die neuen, haltbareren Reifen auch im Rennen aufgezogen werden dürfen. Bis dahin liegen allen Teams Daten darüber vor.
Vor der Entscheidung von Pirelli hatten Red Bull und Ferrari gegen den Test von Mercedes Protest eingelegt. Der überlegene Sieg von Nico Rosberg beim Klassiker in Monte Carlo war davon unberührt geblieben. Dort fuhr die Formel 1 wie nun auch noch in Kanada noch mit den derzeitigen Reifen.
Das deutsche Werksteam hatte bei seinem dreitägigen Test auf dem Circuit de Catalunya mit seinen beiden Stammfahrern Rosberg und Lewis Hamilton insgesamt 1000 Kilometer absolviert. Mehr als 90 Prozent wurde dabei mit den Pneus für 2014 gefahren. Auf weniger als 100 Kilometern kamen die eigentlichen Kanada-Reifen auf den Prüfstand.
Die Konkurrenz wittert einen Vorteil, Mercedes streitet dies vehement ab. Red Bull behauptet, dieser Vorteil ziehe sich sogar die ganze Saison durch. Abhilfe könnte ein weiterer Test schaffen, dann aber für alle Teams, wie es eine Vereinbarung von Pirelli mit dem Internationalen Automobilverband (FIA) auch eigentlich verlangt.
Eine Entscheidung über das neue „Testgate“ der Formel 1 steht weiterhin aus. Von der FIA war zunächst nichts zu hören. Die Regelbehörde kann den Fall gegebenenfalls an das Internationale Tribunal weiterleiten. „Wir respektieren die Hoheit der Sportbehörde in diesem Prozess. Es wird alles sehr transparent und professionell ablaufen. Da habe ich großes Vertrauen“, sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff der dpa.
Das alles kann aber dauern, eine Entscheidung vor dem Lauf in Montréal am übernächsten Wochenende ist höchst fraglich. Maximal kann sich die Affäre bis zu einem Urteil anderthalb Monate hinziehen. Mit der Entscheidung, die neuen Reifen im Wettbewerb nicht zur Verfügung zu stellen, beugte Pirelli womöglich neuen Protesten vor. Allerdings dürfte insbesondere das Red-Bull-Lager der Rückgriff auf die herkömmlichen Reifen nicht besonders freuen.
Mit den Pneus, die allesamt softer als im vergangenen Jahr sind, kommt Weltmeister Sebastian Vettel nicht besonders gut zurecht. Entsprechend heftig fiel seine Kritik auch aus. Seit Saisonbeginn hadert das Titelträger-Team mit den Reifen. Dass es auch nach dem Kanada-Rennen auf dem Circuit Gilles Villeneuve wieder zu großem Wehklagen kommen kann, darauf ist Pirelli gefasst. Neben Red Bull gehörte vor allem auch Mercedes-Teamaufsichtsratschef Niki Lauda zu den Dauerpolterern.