Sieg-Premiere für Ricciardo - Rosberg noch abgefangen
Montréal (dpa) - Premieren-Sieger Daniel Ricciardo jubelte nach dem irren Kanada-Krimi in den Armen von Sebastian Vettel und konnte sein Glück kaum fassen.
Auf den letzten Kilometern des dramatischen Grand Prix in Montréal fing der australische Red-Bull-Pilot noch Formel-1-Spitzenreiter Nico Rosberg ab, weil der Deutsche mit technischen Problemen an seinem Mercedes zu kämpfen hatte. „Ich bin selbst noch geschockt. Ein unglaubliches Gefühl“, stammelte Ricciardo auf dem Siegerpodium. Hinter Rosberg hatte sich Vettel mit einem weiteren späten Überholmanöver Platz drei gesichert und zudem Riesendusel, als ihn nach einem kapitalen Crash der Williams von Felipe Massa knapp verfehlte.
In der Gesamtwertung baute Rosberg seine Führung aus, da Teamkollege Lewis Hamilton schon nach 48 von 70 Runden wegen eines Bremsschadens ausgeschieden war. „Es war viel los. Ein riesiger Kampf, die ganze Zeit“, erklärte Rosberg. Leistungsverluste am Motor, Benzinsorgen, Bremsprobleme - der Silberpfeil lahmte gewaltig. „Ich dachte, ich bin Fünfter, Sechster oder irgendsowas“, bekannte der 28-Jährige. Mit nun 140 Punkten liegt Rosberg im Klassement 22 Zähler vor Hamilton.
Die unerwartet auftretenden Techniknöte der beiden Mercedes-Piloten ließen das siebte Saisonrennen zu einem wahren Thriller werden. Bis zur Hälfte des Grand Prix hatte das Duo nach zuletzt fünf Doppel-Erfolgen in Serie erneut klar dominiert. Am Ende aber stand zum ersten Mal in diesem Jahr keiner der Silberpfeil-Stars ganz oben auf dem Podium. „Es ist sein Tag“, sagte Weltmeister Vettel an die Adresse des dauergrinsenden Ricciardo.
Der Red-Bull-Neuling ist mit 79 Punkten nun WM-Dritter vor Ferrari-Fahrer Fernando Alonso (69) und Vettel (60). Sechster ist Force-India-Fahrer Nico Hülkenberg, der in Montréal starker Fünfter wurde. Adrian Sutil blieb als 13. im Sauber zum siebten Mal in diesem Jahr ohne Punkte.
Nach dem Eklat zwischen den Mercedes-Piloten zuletzt in Monaco standen Rosberg und Hamilton noch mehr unter Beobachtung. Zwar betonten beide, ihren Zwist beigelegt zu haben, doch am Start wurde es ganz eng. Hamilton kam besser weg als Rosberg, der sich am Samstag mit hauchdünnem Vorsprung die Pole Position gesichert hatte. In der ersten Kurve lagen beide gleichauf, es drohte eine Kollision. Hamilton wich zur Seite aus und verlor damit auch Platz zwei an Vettel.
Sekunden später krachte es dann weiter hinten. Max Chilton verlor die Kontrolle über seinen Marussia und fuhr seinem Team-Kollegen Jules Bianchi ins Heck. Bianchi rauschte in eine Begrenzungsmauer, das Safety-Car musste ausrücken. Sieben Runden benötigten die Helfer, die Trümmerteile zu beseitigen, dann wurde das Rennen wieder freigegeben.
Rosberg zog schnell davon. Hamilton hing nur kurz hinter Vettel fest, ehe er in Runde elf die Vorteile seines Silberpfeils nutzen und mühelos überholen konnte. Danach fuhr der Brite Bestzeiten in Serie und war ganz dicht an Rosberg, der sich unter Druck in Runde 26 verbremste und durch die Schikane abkürzen musste. Die Rennrichter verwarnten den gebürtigen Wiesbadener jedoch nur.
Doch Rosbergs Sorgen wurden nicht kleiner. Vom Kommandostand wurde er aufgefordert, sparsamer mit seinem Benzin umzugehen. Und dann kam es noch dicker: Beide Silberpfeil-Piloten klagten plötzlich über Leistungsprobleme und wurden langsamer. Fieberhaft suchten die Ingenieure in der Garage nach der Ursache. „Wir glauben nicht, dass wir es lösen können“, hieß es schließlich in einem Funkspruch.
Hinter den Silberpfeilen kämpfte ein ganzer Pulk von Fahrern um den Anschluss, angeführt vom Mexikaner Sergio Perez im Force India. Vettels Chancen auf seinen ersten Saisonsieg sanken jedoch immer mehr, weil er nicht an Hülkenberg vorbeikam und dann auch noch zur falschen Zeit an die Box gerufen wurde. So kam der Titelverteidiger hinter Ricciardo zurück auf die Strecke und beschwerte sich: „Ihr hättet mich länger draußen lassen sollen.“
Dann überschlugen sich die Ereignisse. Nach dem zweiten Boxenstopp war Hamilton an Rosberg vorbei, rutschte aber dann kurz von der Strecke. Auf den nächsten Kilometern wurde der Champion von 2008 immer langsamer und musste schließlich aufgeben. Rosberg indes hielt sich mit Mühe noch vorn. Perez, Ricciardo und Vettel hatten aufgeschlossen und lauerten auf ihre Chance.
Es wurde ein wahrlich packendes Finale. Rosberg verteidigte seinen knappen Vorsprung bis kurz vor dem Ziel und musste dann doch noch Ricciardo vorbeiziehen lassen. Vettel kam auf den letzten Metern noch an Perez vorbei und schaffte es zumindest aufs Podium. Nach einem spektakulären Crash zwischen Massa und Perez wurde das Rennen hinter dem Safety-Car beendet, Ricciardos Siegdebüt war damit besiegelt.