Silberpfeil-Duell eskaliert zum „Super-GAU“
Barcelona (dpa) - Das Giftduell bei den Silberpfeilen ist außer Kontrolle geraten. Auch lange nach dem „Super-GAU“ beim Großen Preis von Spanien musste sich Formel-1-Spitzenreiter Nico Rosberg mit seiner Wut auf Teamkollege Lewis Hamilton noch spürbar zurückhalten.
Die Entschuldigung des Briten ans Team vermochte den Deutschen vorher schon nicht zu besänftigen, die Schuldfrage für den folgenreichen Crash nach dem Start auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya ließ der deutsche Werksrennstall Mercedes ungeklärt.
„Es ist das schlimmste Gefühl, das man als Fahrer durchmachen kann“, betonte der viermalige Saisonsieger Rosberg. Seine rekordnahe Siegesserie wurde durch den Zusammenstoß der Silberpfeile nach wenigen hundert Metern am Sonntag nach dem Start jäh beendet. Ausgerechnet vor dem Klassiker in Monaco ist das Duell der beiden einstigen Kartkumpels am Sonntag wieder einmal eskaliert - schlimmer als je zuvor. Teamaufsichtsratschef Niki Lauda zum Unfall: „Das ist der Super-GAU.“
Dass Landsmann Sebastian Vettel im Ferrari den Sieg auf dem Silbertablett nicht mitnehmen konnte, tröstete Rosberg auch nicht. Der viermalige Weltmeister musste sich mit Rang drei begnügen, hinter seinem Ferrari-Teamkollegen Kimi Räikkönen. Triumphaler Sieger des denkwürdigen und historischen Europa-Auftakts wurde Max Verstappen.
18 Jahre und 228 Tage alt und damit der jüngste Grand-Prix-Gewinner, den es je in der Formel 1 gegeben hat. Nur ein paar Tage nach seiner Beförderung von Toro Rosso zu Red Bull zeigte er als erster niederländischer Formel-1-Sieger eine fantastische Leistung. „An einem schlechten Tag für uns verlieh er der Formel 1 etwas Magie“, betonte Mercedes-Teamchef Toto Wolff.
Der Österreicher und sein Landsmann Lauda müssen sich im eigenen Team wieder als Krisenmanager bewähren. Lauda gab umgehend Hamilton die Schuld für den Unfall in Kurve vier. Das Manöver zu diesem frühen Zeitpunkt sei völlig sinnlos gewesen. „Der, der vorne ist, verteidigt sich. „Der Lewis hätte nie probieren dürfen, dort vorzufahren“, urteilte Lauda. Wolff sah das anders. „Es ist nicht so, dass man einem ausschließlich die Schuld zuschieben könnte.“
Getrennt redete die Teamleitung mit den beiden Fahrern, erst als sie hinter der Türe des silbernen Trucks verschwunden waren, nahmen Rosberg und Hamilton ihre Helme ab. Es sei eine ganz schwierige Situation, räumte Wolff ein. Hamilton sagte „Sorry“ beim Team, die Schuld nahm er öffentlich aber keineswegs auf sich. Beim Versuch, Rosberg wieder zu überholen, war es zur Kollision gekommen.
Hamilton hatte seine 52. Pole wie schon in Australien und Bahrain nicht verteidigen können, „ausgangs Kurve drei holte ich ihn sehr schnell ein und stach rechts in eine Lücke hinein. Ich war mit einem Teil meines Autos daneben, musste dann aber in die Wiese ausweichen. Die Lücke war da und als Rennfahrer versucht man dann, sie zu nutzen“, schilderte Hamilton. „Wir haben gesehen, was danach passiert ist.“ Der Brite schlug noch im Auto die Hände vor den Helm und warf das Lenkrad in hohem Bogen aus seinem Silberpfeil.
Weil Rosberg eine falsche Motoreinstellung am Wagen hatte und langsamer als er war, wollte Hamilton umgehend die Gelegenheit nutzen und wieder die Führung übernehmen. „Da kommt einer von hinten und ich mache die Tür zu. So macht man das, um seine Position zu verteidigen“, erklärte Rosberg.
Im 62. gemeinsamen Rennen für Mercedes krachte es zwischen Rosberg und Hamilton. Nachdem es 2014 in Bahrain erstmals hochhergegangen und im selben Jahr in Spa mit dem Reifenschlitzer von Rosberg die Situation erstmals eskaliert war, trat nun vor den Augen von Daimler-Chef Dieter Zetsche das schlimmste Szenario ein.
Beide Autos raus, 43 Punkte verspielt, Rosbergs Führung (100 Punkte) auf den neuen WM-Zweiten Räikkönen schmolz auf 39 Zähler. Hamilton (57) hat als Dritter nur noch neun Zähler mehr als Vettel (48), der an einem düsteren deutschen Tag in Katalonien - Nico Hülkenberg schied mit Feuer am Force India aus, Pascal Wehrlein wurde im Manor Vorletzter - allerdings auch nicht zufrieden sein konnte.
„Wenn der Sieg irgendwo auf dem Tablett zu sehen ist und man ihn trotzdem nicht greifen kann, geht einem schon ein bisschen was ab“, meinte Vettel, dessen Ferrari-Team nun bangen muss, von Red Bull die erste Verfolgerrolle dauerhaft abgenommen zu bekommen.
Trotz des Crashs von Spanien will Mercedes an der freien Fahrt für seine beiden Piloten auch künftig nichts ändern. „Wir sind es der Formel 1 und den Fans schuldig, sie gegeneinander Rennen fahren zu lassen“, betonte Wolff. Die Rennkommissare werteten den Unfall als Rennzwischenfall, Strafen gab es nicht. Weitere Aussprachen nach dem „selbstmörderischen Manöver“ („El País“) sind auch nicht vorgesehen, bestätigte das Team am Montag. Als ginge es beim Klassiker in Monaco ohnehin nicht schon eng genug zu, herrscht schon vor dem sechsten Saisonrennen bei den Silbernen absolute Alarmstufe rot.