Zu kompliziert? - Sender setzen auf Formel-1-Wundertüte

Berlin (dpa) - Leiser, langsamer - aber auch langweiliger? Nach weltweit schwindenden TV-Zuschauerzahlen muss sich die neue Formel 1 in diesem Jahr beweisen. Die deutschen Sender hoffen auch auf manch unerwartete Wendung.

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„Die Formel 1 2014 ist eine Wundertüte, die vielleicht voller faustdicker Überraschungen steckt“, meint RTL-Sprecher Matthias Bolhöfer. „Grundsätzlich muss man sagen, dass niemand wirklich weiß, wie sich die neuen Regeln auswirken werden. „Schau'n mer mal“, würde Sky-Experte Franz Beckenbauer sagen“, meinte Skys Sport-Kommunikations-Direktor Dirk Grosse.

Unversucht wird jedenfalls nichts gelassen. Nach Vettels Durchmarsch mit vorzeitiger Krönung 2013 soll in diesem Jahr die doppelte Punktzahl beim Finale das Rennen um den WM-Titel bis zum Schluss offenhalten. „Sagen wir es so: Wenn die WM ohne die Mithilfe dieses zusätzlich geschaffenen Spannungsmoments entschieden wird, hat gerechterweise der über die komplette Saison erfolgreichste Fahrer gewonnen“, kommentierte Bolhöfer die Maßnahme.

Bei den Fahrern selbst löste sie nur Kopfschütteln aus. Das sei, als würde man beim Fußball sagen, „in den letzten fünf Minuten zählt ein Tor doppelt“, echauffierte sich Titelverteidiger Sebastian Vettel. Den „Shitstorm“, der über die Formel 1 nach Bekanntgabe der neuen Punkteregel für den letzten Saisonlauf hinweggezogen war, hatten die Verantwortlichen nicht erwartet, gab Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff zu. Er gehörte der Strategie-Gruppe an, die die Neuerung abgesegnet hatte.

Die Devise ist: notfalls künstlich die Spannung aufrechterhalten. Dass zu frühe WM-Vergaben das Interesse am TV-Spektakel Formel 1 einbremsen, belegten die Zahlen des Global Media Reports, der jüngst bekanntwurde. Dass die Fahrer-WM vor Rennen wie in den USA oder Brasilien, die für gewöhnlich viele TV-Zuschauer anziehen würden, bereits vergeben war, „hat eine vorhersagbare Auswirkung auf die Reichweite“ gehabt, stellte Formel-1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone fest.

Demnach verfolgten insgesamt 450 Millionen Menschen die 19 Rennen weltweit vor dem TV. 2012 waren es noch knapp über eine halbe Milliarde gewesen, 2011 waren 515 Millionen verzeichnet worden. Bei RTL sahen in der vergangenen Saison, in der Vettel die neun letzten Saisonrennen mehr oder weniger souverän und konkurrenzlos für sich entschied, durchschnittlich 5,28 Millionen Zuschauer. 2012 waren es noch 5,58 Millionen gewesen. Von Zahlen wie aus dem Rekordjahr 2001, als Michael Schumacher die erste Titelverteidigung im Ferrari gelang, können alle derzeit nur noch träumen. Damals sahen im Schnitt 10,44 Millionen Menschen die Rennen.

Und 2014, in einem Jahr mit Olympischen Winterspielen und dem fußballerischen Highlight schlechthin mit der WM-Endrunde in Brasilien? Optisch sind die Autos mit ihren teilweise skurrilen Nasen gewöhnungsbedürftig. Der Sound der neuen V6-Turbo-Motoren ist nicht mehr so satt wie früher. „Es ist ganz sicherlich leiser, du konntest während der Tests in Jerez sogar telefonieren. Das konnte ich sonst nie“, betonte Marussias Geschäftsführer Graeme Lowdon.

Hinzu kommen neue Regeln. Die Spritmenge ist reduziert, die Vollgas-Zeiten sind Vergangenheit. Nur wer richtig taktiert, kann am Ende auch der Erste sein. Vettel prophezeite bereits, dass die Zuschauer weniger verstehen würden. „Das geht ja uns schon so“, hatte der Vierfach-Champion in Jerez gesagt. Ecclestone hatte mit Blick auf die neue Formel 1 sogar schon von einer totalen Farce gesprochen.

Dass ausgerechnet Vettel und das Red-Bull-Team nach Jahren teilweise erdrückender Überlegenheit mit den größten Schwierigkeiten in die Vorbereitung auf die neue Saison gestartet sind, zeigt die Herausforderungen, die die Formel 1 in diesem Jahr an alle stellt. Ob nun leiser oder auch langsamer, zumindest langweilig scheint es nicht unbedingt zu werden.