Ferrari-Krise Kampf um WM-Titel: Vettels letzte Kraftanstrengung
Suzuka (dpa) - In seiner Schweizer Familienoase will Sebastian Vettel die letzten Kräfte für den schier aussichtslosen WM-Kampf gegen So-gut-wie-Champion Lewis Hamilton mobilisieren.
Fluchtartig verließ der ausgelaugte Ferrari-Fahrer das unheilvolle Japan und klammert sich an eine Mini-Hoffnung im Formel-1-Endspurt. Im Stile seines Idols Michael Schumacher stellte sich Vettel jedoch demonstrativ vor seinen Pannen-Rennstall und versucht die Scuderia aufzurichten.
Vier Grand Prix vor dem Saisonabschluss und bei einem Rückstand von 59 Punkten auf Mercedes-Pilot Hamilton kann Vettel seine Augen aber vor der Wirklichkeit nicht verschließen. „Ich muss kein Genie und Mathematiker sein, wir haben aber noch immer eine Chance. Das Team ist auf einem guten Weg, wir verbessern uns Rennen für Rennen und sind schon viel weiter gekommen, als die Leute dachten“, beharrte Vettel nach seinem Aus in Suzuka wegen einer defekten Zündkerze. Es war sein zweiter K.o. in den vergangenen drei Rennen.
Der von Vettel angeführte Entwicklungsprozess schlägt sich aber nicht mehr in Resultaten nieder. Während der Hesse in den vergangenen zehn Grand Prix nur einmal auf dem Podest ganz oben stand, gewann Hamilton in genau dieser Zeit gleich sechsmal. In zwei Wochen in den USA muss der Heppenheimer bei einem Sieg des WM-Spitzenreiters mindestens unter die ersten Fünf kommen, sonst ist der Zweikampf entschieden.
Auf den letzten Kilometern dieser lange so verheißungsvollen Saison gehen der Scuderia die Kräfte aus, Materialprobleme werden zum Schwachpunkt. „Wir sind alle am Limit, manchmal gehen Dinge eben auch kaputt“, räumte Vettel ein und verordnet seinem ermatteten Rennstall eine Auszeit. „Wir müssen zurück und etwas Pause bekommen. Es waren harte Wochen mit vielen Veränderungen, die Mechaniker sind müde, das Team ist müde“, erläuterte der 30-Jährige. „Es ist gut, eine Pause zu bekommen. Wir wissen, dass wir das Paket haben, um es in den letzten vier Rennen noch einmal gut hinzubekommen.“
In Vettels drittem Jahr mit Ferrari wird es aber voraussichtlich wieder nichts mit seinem Premierentitel für die Italiener. Sein Idol Michael Schumacher musste bis Jahr fünf Aufbauarbeit leisten, ehe er die Scuderia zur Fahrer-WM führte. Ganz im Stile seines Vorbilds munterte Vettel seine Mannschaft auch auf und stellte sich vor sie. „Ich glaube, alle sind mit Vollgas dran, das Beste rauszuholen“, versicherte er milde. „Ich denke, ich muss sie in Schutz nehmen. Wir haben bis hierhin einen unglaublichen Job abgeliefert.“
Der zurückgetretene Weltmeister Nico Rosberg lobte Vettel für sein Gespür. „Sebastian hat es gut gemeistert, hat dem Team Rückendeckung gegeben. Das ist langfristig sehr wichtig, das hat auch den Michael immer so stark gemacht, die Ferrari-Familie zusammenzuhalten“, sagte er. „Aber es ist ein Schock-Moment, der ist schwierig zu verdauen.“
Mercedes und Hamilton haben indes einen etwas unglaublicheren Job als Ferrari geleistet. Die Konstrukteurs-WM ist für die Silberpfeile nur noch Formsache und auch der dreimalige Weltmeister steht ganz dicht vor seiner erneuten Krönung. Damit würde er mit Alain Prost und Vettel gleichziehen. „100 Punkte sind eine Menge, im Leben kann alles passieren“, meinte Hamilton vorsichtig. „In der Fahrer-WM sind 100 Punkte zu vergeben, da sind 59 Punkte Vorsprung schon sehr solide“, befand indes Teamchef Toto Wolff. Zumal Austin eine „Lewis-Strecke“ sei. Vier der vergangenen fünf Auflagen gewann Hamilton.
Der 32-Jährige würdigte seine Crew für die im Gegensatz bei Ferrari extrem zuverlässige Arbeit. 2017 fiel der Brite keinmal aus. An seiner Fahrweise wird er dennoch nichts ändern. „Ich gehe ja nicht besonders verrückte Risiken ein, um in die Position zu kommen, in der ich bin“, erläuterte Hamilton. „Wenn du manchmal ein bisschen vom Gas gehst, verursachst du dir selbst etwas mehr Ärger als du bräuchtest.“ Das dürfte Hamilton auf der WM-Zielgeraden auch vermeiden.