„Kein Gewinner“: Die Bahrain-Blamage der Formel 1
Montreal (dpa) - Die Formel 1 steht nach der Bahrain-Blamage vor einem Scherbenhaufen. Nach der tagelangen Posse um die umstrittene Neuansetzung des Wüstenrennens, die im nächtlichen Verzicht der Streckenbetreiber gipfelte, nimmt nun die Suche nach einem Schuldigen Fahrt auf.
Vor allem der heftig kritisierte Automobil-Weltverband FIA unter Präsident Jean Todt tut vor dem Großen Preis von Kanada am Sonntag alles dafür, Chefvermarkter Bernie Ecclestone den „Schwarzen Peter“ zuzuschieben. „Absolut, zu 100 Prozent“ wolle er die Verantwortung übernehmen, versprach der 80-Jährige.
„Das Image der Formel 1 hat sicher darunter gelitten“, urteilte der Vizepräsident der Teamvereinigung FOTA, Eric Boullier. Die Rennställe hatten durch ihren Protest den überraschenden Beschluss des Motorsport-Weltrats für einen Bahrain-Nachholtermin am 30. Oktober umgehend wieder ins Wanken gebracht.
Detailliert schildert die FIA in einem am späten Freitagabend veröffentlichten Bericht auf ihrer Internetseite den Verlauf der Bahrain-Krise. Bis zur letzten Minute hatte Ecclestone demnach versucht, dem im Februar von blutigen Unruhen erschütterten Golfstaat mit immer neuen taktischen Wendemanövern noch in diesem Jahr einen Grand Prix zu verschaffen. Als ihm die FOTA einen Strich durch die Rechnung machte, plädierte er angeblich sogar dafür, das Indien-Debüt wieder wie geplant am 30. Oktober auszutragen und dafür eben Bahrain das Saisonfinale im Dezember zu überlassen.
Doch dazu kam es nicht. Wenige Stunden nach Ecclestones Vorstoß verschickten die Streckenbetreiber ihre Verzichtserklärung. Zu spät jedoch, um das miserable Bild der Motorsport-Königsklasse in dieser Affäre noch zu schönen. Die bizarre Debatte der vergangenen Tage hat Spuren hinterlassen. „Gewinner gibt es in dieser Sache sicher nicht“, bekannte FOTA-Chef Martin Whitmarsh. Die Teams hatten keineswegs moralische Bedenken an einer baldigen Reise nach Bahrain vorgebracht, sondern ihren Einspruch stets nur mit logistischen Nöten begründet.
Der Schreck über die Farce war im engen Fahrerlager von Montreal deutlich spürbar. „Es ist keine einfache Situation, wir bewegen uns in unbekannten Gewässern“, sagte Fahrer-Sprecher Mark Webber. Der Australier hatte sich zuvor am deutlichsten von allen Piloten gegen den Bahrain-Beschluss ausgesprochen. Zu frisch sei noch die Erinnerung an die blutigen Unruhen, die zur ersten Absage des Rennens geführt hatten. „Ich bin kein einsamer Rufer, das ist das allgemeine Gefühl“, beteuerte Webber.
Sein Red-Bull-Teamkollege, Weltmeister Sebastian Vettel, allerdings fühlte sich wie viele Kollegen sichtlich unwohl bei den Fragen zum Fall Bahrain. Unruhig rutschte der Klassenprimus vor den ersten Runden in Kanada auf seinem Klappstuhl herum und meinte: „Es gibt nicht viele unter uns im Fahrerlager, die das genau beurteilen können.“ Ohnehin lohne es sich nicht, sich aufzuregen, ehe eine endgültige Entscheidung gefallen sei, befand der 23-Jährige. Und behielt aus seiner Sicht recht.
Die finale Streichung des Bahrain-Rennens ist nach dem Einlenken der Organisatoren nur noch Formsache. „Wir werden dem Weltrat einen Vorschlag vorlegen. Es wird schnell gehen“, kündigte Ecclestone die Rückkehr zum ursprünglichen Rennkalender an. Für Bahrain bedeutet das aber keineswegs das Formel-1-Aus. Das nächste Gastspiel für 2012 ist schon fest gebucht. Dann wieder als Saisonauftakt.