Simoncellis Tod überschattet Bradls „Fast-Titel“
Sepang (dpa) - Der Unfall-Tod von Rennfahrer Marco Simoncelli hat die Motorrad-Welt in tiefe Trauer gestürzt und auch in seiner Heimat Italien große Betroffenheit ausgelöst.
Der MotoGP-Pilot starb am Sonntag beim Grand Prix von Malaysia noch an der Rennstrecke. Simoncelli war beim Hitzerennen in Sepang in Runde zwei ausgerutscht und von Colin Edwards und Valentino Rossi überrollt worden. Trotz sofortiger Notversorgung kam für den 24-Jährigen jede Hilfe zu spät. Erst eine Woche zuvor hatte der tödliche Crash von IndyCar-Pilot Dan Wheldon den Motorsport erschüttert.
Nach Bekanntwerden von Simoncellis Tod nur Stunden vor der Trauerfeier für Wheldon in den USA wurde das zunächst abgebrochene Rennen der Motorrad-Königsklasse abgesagt. „Unglücklicherweise war es nicht möglich, ihm zu helfen, und um 16.56 Uhr mussten wir ihn für tot erklären“, teilte Rennarzt Michele Macchiagodena auf einer improvisierten Pressekonferenz mit.
Simoncellis Unfall ließ in den Boxen von Stefan Bradl und Sandro Cortese jeglichen Jubel erfrieren. Die deutschen Piloten hatten in ihren Rennen zuvor zweite Plätze errungen. Besonders der von Bradl in der Moto2 war wertvoll, da der Zahlinger seinen Vorsprung in der Gesamtwertung vor dem letzten Rennen in Valencia in zwei Wochen auf 23 Punkte anwachsen ließ. „Das interessiert mich jetzt nicht mehr. Das ist alles traurig, ich weiß nicht, was ich sagen soll“, meinte Bradl. „Ich fühle mich wirklich schlecht. Auf der Strecke sind wir alle Brüder“, meinte Ex-Weltmeister Nicky Hayden aus den USA.
Bei allen Veranstaltungen im italienischen Sport wurde am Sonntag eine Schweigeminute eingelegt. „Das ist einer meiner schlimmsten Tage“, sagte der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees von Italien, Gianni Petrucci. Auch beim Formel-1-Hersteller Ferrari herrschte große Bestürzung. „Es ist schwer, den Schmerz über den Verlust solch eines fröhlichen Menschen in Worte zu fassen“, sagte Teamchef Stefano Domenicali in einer Mitteilung des Formel-1-Traditionsteams. „Der Motorsport kann manchmal so grausam sein“, twitterte der ebenfalls tief betroffene Formel-1-Weltmeister von 2009, Jenson Button von McLaren.
Nach dem Unfall von Simoncelli herrschte nur noch Stille auf dem Sepang-Circuit. Die Piloten verkrochen sich geschockt in ihren Boxen. Simoncellis Freundin weinte hemmungslos, ehe sie sich mit den Teammitgliedern vor dem Medical Center versammelte. Dort konnten die Ärzte ihr nur noch die Todesnachricht überbringen.
Simoncelli galt als Paradiesvogel der Szene. Sein Lockenkopf war das Markenzeichen des in Cattolica geborenen Rennfahrers, der mit sieben Jahren erste Erfahrungen auf einem Pocket Bike gesammelt hatte. „Supersic“, wie der 1,83 Meter große Pilot gerufen wurde, galt als aggressiver Pilot, dessen Fahrweise oftmals an übertriebene Risikofreude grenzte.
2002 fuhr Simoncelli in Tschechien seinen ersten Grand Prix, nachdem er im selben Jahr Europameister in der 125-Kubikzentimeter-Klasse geworden war. Nach dem WM-Titel 2008 gelang ihm ein Jahr später noch ein dritter Gesamtrang im Viertelliter-Limit. Danach stieg er in die Königsklasse MotoGP um.
Vor dem Drama um Simoncelli hatten Stefan Bradl nur 400 Meter zur vorzeitigen Krönung gefehlt. Ein Rennabbruch verhinderte den Titelgewinn im vorletzten Saisonlauf. Als das Rennen eine Runde vor Schluss beendet wurde, war Bradl Zweiter hinter dem Schweizer Tom Lüthi. Bei einem Sieg hätte der 21-Jährige den WM-Titel sicher gehabt. Sein härtester Verfolger, der Spanier Marc Marquez, hatte am Sonntagmorgen von den Ärzten wegen einer Gehirnerschütterung Startverbot erhalten. Er war am Freitag im ersten Training wegen einer geplatzten Wasserleitung auf der Strecke schwer gestürzt.
Auch Sandro Cortese verpasste seinen zweiten Sieg nacheinander nur knapp. In der letzten Runde war Maverick Viñales aus Spanien einfach schneller als der Berkheimer Aprilia-Pilot. „Ich habe alles gegeben. Es war extrem hart bei der Hitze, vielleicht das härteste Rennen der Saison. Ich wollte gewinnen, das hat man hoffentlich gesehen“, betonte Cortese. Die Titelentscheidung in dieser Klasse wurde ebenfalls vertagt. Nicolas Terol aus Spanien wurde Fünfter und hat noch 20 Punkte Vorsprung vor dem Franzosen Johann Zarco, der Dritter wurde.