Vettel vor Heimspielen: Verfolger streichen Segel

Valencia (dpa) - Entnervt, entzaubert, am Ende: Die Verfolger streichen nach der Hafen-Show von Käpt'n Vettel die Segel.

„Wenn jemand denkt, dass wir die Weltmeisterschaft gewinnen können, wenn wir acht Zehntel dahinter liegen, liegt es vielleicht daran, dass er die Formel 1 nicht versteht“, meinte Ferrari-Star Fernando Alonso. Der zweimalige Weltmeister hat nach Sebastian Vettels sechstem Saisonsieg satte 99 Punkte Rückstand.

„Die Red Bulls sind meilenweit davon“, räumte Jenson Button ein. Der McLaren-Pilot hat als WM-Zweiter bereits 77 Punkten weniger als der Deutsche. „Es ist alles Deins, Vettel“, titelte das Briten-Blatt „The Sun“ bereits. „Wir sind aber einfach nicht schnell genug, um zu gewinnen“, räumte Teamkollege Lewis Hamilton ein, der als WM-Vierter schon 89 Zähler Rückstand aufweist.

Satt ist der Heppenheimer aber noch lange nicht: „Wir müssen einfach so weitermachen und hungrig bleiben, wir müssen weiterhin Rennen gewinnen und besser werden wollen“, kündigte Vettel an. Nach seinem lockeren Sieg bei der Hafenrundfahrt hatte sich der 23-Jährige einen gemütlichen Feierabend in Valencia genehmigt und war erst am nächsten Tag mit dem Flieger nach England gedüst.

Die Art und Weise, wie Vettel mit seinem Red Bull beim Großen Preis von Europa am Mittelmeer zu seinem 16. Sieg cruiste, verblüffte sogar sein eigenes Team. „Er wollte unbedingt ein perfektes Wochenende abliefern und hat genau das geschafft“, meinte Red-Bull-Teamchef Christian Horner. „Er hat nach Montreal zurückgeschlagen. Er schafft es immer wieder, uns zu überraschen.“

Vettel weiß, dass er nicht mehr jedes der noch elf ausstehenden Rennen gewinnen muss. Doch er ist mehr als auf den Geschmack gekommen. „Das wird nie langweilig.“ Da könne man sportübergreifend schauen. „Da gibt es genug, denen das nie auf den Keks geht. Um Gottes Willen“, meinte Vettel und manch einer dürfte angesichts der Dominanz denken: „Um Vettels Willen.“

Nichts war mehr vom Frust nach dem verschenkten Sieg in der letzten Runde in Kanada zu spüren. Und auch das „Tohuwabohu“ um das Zwischengas und dessen komplettes Verbot vom Großen Preis von Großbritannien an perlte am Formel-1-Juwel ab. Für die meisten ist es ohnehin nur noch eine Frage der Zeit, wann Vettel sich in diesem Jahr in die Gilde der zweimaligen Titelträger einreihen kann - nur Kumpel Michael Schumacher (7) und Alonso (2) haben von den aktuellen Piloten mehr als einmal die WM gewonnen.

Bislang baut Vettel seinen Vorsprung um durchschnittlich 9,625 Punkte pro Rennen aus. Sollte ihm dies weiter so gelingen, könnte er beim 14. Saisonrennen in Singapur schon vorzeitig Champion sein. Dann hätte Vettel rein rechnerisch 134,75 Punkte Vorsprung und wäre bei noch maximal zu holenden 125 Zählern nicht mehr abzufangen.

„Ich war in Mathe nie gut“, kommentierte Vettel mit einem Schmunzeln sämtliche Rechenspiele. Mit wie vielen Punkten er führe, sei ihm egal. „Die Leute sagen mir das eh ständig, also muss ich es nicht selbst nachrechnen“, meinte er wenige Tage vor seinem 24. Geburtstag am kommenden Sonntag. Eine Woche später steht für Vettel das erste Heimspiel an. Der Werkssitz des Red-Bull-Teams befindet sich in Milton Keynes, unweit der Strecke in Silverstone.

Vor allem Ferrari setzt seinen letzten roten Funken Hoffnung in das dort erstmals gültige Zwischengas-Verbot, bei dem Auspuffgase zur besseren Straßenlage genutzt wurden. „Jeder wird ein bisschen verlieren, was die Leistung betrifft, aber mal sehen, wer den höchsten Preis bezahlt“, sagte Teamchef Stefano Domenicali. Angst machen solche Aussagen Vettel und Red Bull, das in Mark Webber zudem den WM-Dritten stellt, nicht. Der Australier hat ebenfalls 77 Punkte weniger als sein Teamkollege.

Bevor es auf dem Nürburgring zum echten Vettel-Festival kommt, will der Beatles-Fan die Insel wieder rocken. 2009 gelang ihm in Silverstone bereits ein Sieg. Der Kurs mit seinen schnell Kurven ist „Kinky Kylie“ auf den taillierten Leib geschneidert. 2010 gewann Webber den Großen Preis von Großbritannien. „Also mögen wir die Strecke“, meinte Vettel. Den Verfolgern könnte dort die Luft endgültig ausgehen und Vettels Rennfazit in Valencia das Fazit der Saison 2011 werden: „Ich liebe das einfach, wenn man jede Runde gegen sich selbst fährt.“ Gegner hat er im Moment nicht.