„O Tannenbaum“: Union-Fans als „deutsche Meister“
Berlin (dpa) - Für die „Süddeutsche Zeitung“ sind sie schon „deutsche Meister im Singen“, für den britischen „Guardian“ „ungewöhnliche Fans mit einer außergewöhnlichen Weihnachtstradition“.
Kaum eine sportliche Leistung des Fußball-Zweitligisten 1. FC Union Berlin hat international und national für ähnliche Schlagzeilen gesorgt wie das kultige Weihnachtssingen im Stadion an der Alten Försterei. Bei der 13. Auflage des besonderen Familientreffens wird am Tag vor Heiligabend bereits der insgesamt 150.000. Sänger auf dem „heiligen Rasen“ erwartet.
Der Besucherrekord von 28 500 wird möglich, weil im Sommer Sitzplätze auf der Gästetribüne wegfielen und somit Platz für weitere Fans geschaffen wurde, die nun das Gänsehaut-Feeling live erleben dürfen. Bereits Anfang November waren alle Tickets vergriffen. Wie erstmals zur Weihnacht 2014 mussten die Eintrittskarten für fünf Euro verkauft werden, weil in Jahren zuvor bei kostenlosem Eintritt die Kapazitätsgrenzen längst gesprengt worden waren.
„Niemals hätten wir das damals geahnt“, gesteht Torsten Eisenbeißer, der in frostigen Tagen des Jahres 2003 als erster die Idee zum Sängertreff äußerte. „Wir hatten in der Saison ständig was auf die Mütze bekommen. Und nach dem letzten Spiel dachte ich: Jetzt hast Du Dich nicht mal von den Kumpels in das Weihnachtsfest verabschiedet. Eigentlich müsste man sich noch mal treffen“, schilderte er seine Gedanken. 89 Fans Alt-Unioner kamen zusammen, schlichen sich illegal durch das einzige geöffnete Tor ins Stadion: Einige kletterten damals sogar über die Zäune.
Was als „Piratenakt“ in die Union-Geschichte einging, findet heute Nachahmer in ganz Deutschland. In Dresden sangen Dynamo-Fans mit dem Kreuzchor, in Köln griffen am vergangenen Sonntag sogar 32 000 Sängerfreunde im heimischen Stadion den Gedanken der Alt-Unioner auf. „Gäste aus Schweden, Finnland, Dänemark und Norwegen haben ebenso Online-Tickets gebucht wie Fans aus Österreich, Frankreich und der Schweiz“, berichtete Eisenbeißer, der schon 1969 sein erstes Union-Spiel sah. Das im Januar anstehende 50. Vereins-Jubiläum wird bei der Sänger-Show keine Rolle spielen: „Einen Geburtstag feiert man doch nicht vier Wochen vor dem Ereignis.“
Nach den Terror-Akten von Paris und der Absage des Länderspiels Deutschland - Niederlande in Hannover haben die Organisatoren und ihre Partner die Sicherheitskontrollen verstärkt. „Die Sicherheit war Thema bei allen Vorbesprechungen: Mit einem Flyer haben wir unsere Besucher vorbereitet. Wir stellen zusätzliche Ordner, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Jeder sollte mehr Zeit für die Kontrollen einplanen“, erläuterte Eisenbeißer.
Die steigenden Kosten der Veranstaltung werden von den drei Hauptsponsoren des Singens und den Catering-Einnahmen gedeckt. Die Ticket-Einnahmen kommen dem Nachwuchs zu Gute. „Ein Wirtschafts-Unternehmen müsste eine sechsstellige Summe ausgeben, um eine solche Image-Werbung zu bekommen“, sagte der Chef-Organisator.
Schon bevor bei den Glockenschlägen pünktlich das Flutlicht ausgeht und im Schein Tausender Kerzen die Union-Hymne von Nina Hagen erklingt, werden Glühwein, Bratwurst und Leckereien angeboten, erhalten Kinder von Weihnachtsmännern kleine Geschenke. Rote Mützen gehören ebenso wie die rot-weißen Schals zu beliebten Utensilien bei dem Sängertreffen, bei dem Union-Fans traditionell auch Kinder und Enkel, Oma und Opa mit ins Stadion bringen.