Öberg besiegt Vorbild Dahlmeier
Die Deutsche holt mit Bronze über 15 kilometer ihre dritte Medaille, muss aber einer jungen Schwedin den Vortritt lassen.
Pyeongchang. Selbst als Assistentin ist Laura Dahlmeier perfekt. Nahezu unbemerkt schaltet sie Hanna Öberg das Mikrofon ein und wieder aus. Mit ihren 22 Jahren ist die zweimalige Junioren-Weltmeisterin im Dickicht der internationalen Medien-Gepflogenheiten noch längst nicht so gewandt wie die Deutsche, die — gerade zwei Jahre älter — als erste Biathletin drei Olympia-Medaillen in drei aufeinander folgenden Rennen holt. Diesmal ist es Bronze. Eine Legierung, die eine „wahnsinnige Freude“ in ihr auslöst.
Die junge Schwedin aber ist viel zu aufgeregt und vom Adrenalin in ihrem Körper aufgekratzt, um den Kopf für Mikrofonknöpfe frei zu haben. Mit Rang 25 als bestem Weltcupergebnis reist das vom Ruhpoldinger Trainer Wolfgang Pichler trainierte Talent, das erst seit einem Jahr in der ersten Biathlon-Liga dabei ist, zu den Winterspielen. Nun ist sie Olympiasiegerin im Einzel über 15 Kilometer. Dank vier fehlerfreier Auftritte am Schießstand und flotten Rundenzeiten. Hanna Öberg kriegt das breite Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht: „Natürlich bin ich überrascht.“ Sie breitet ihre Arme aus und meint: „Zu diesen beiden Mädchen neben mir habe ich immer aufgeschaut. Jetzt bin ich vor ihnen.“
Die junge Frau mit der wilden Lockenmähne ist flankiert von der Slowakin Anastasia Kuzmina, die das Silber ihrem Bruder Anton Schipulin widmet — der russische Skijäger ist vom Internationalen Olympischen Komitee nicht zu den Spielen eingeladen worden — und Laura Dahlmeier. Musterschülerin „Für sie ist das eine gewonnene Bronzemedaille und kein verlorenes Gold“, sagt Bundestrainer Gerald Hönig. Genau so empfindet es seine Musterschülerin, die mehrfach die Augen schließt und mit ihren Gedanken in eine andere Welt abgleitet.
In deutlich abgeschwächter Form passiert das auch bei der ersten Schießeinlage, als Laura Dahlmeier den fünften Schuss im Liegendanschlag nicht konsequent genug setzt. Ein Fehler. Passiert. Sie erinnert sich an die WM in Hochfilzen, wo sie trotzdem als Erste einfährt. Diesmal ist es Hanna Öberg, die Freundin von Landsmann Jesper Nelin, der wenig später beim Olympiasieg des Norwegers Johannes Thingnes Bö über die 20 Kilometer auf Rang 24 landet.
Es ist Halbzeit für Laura Dahlmeier, und das Glück hat sich tief in ihr eingenistet. Doch: Medaillen gewinnen fordert die ganze Frau. „Das ist in keiner Disziplin ein Selbstläufer — auch nicht für mich“, sagt die Bajuwarin. Sie ackert, während die Spiele komplett an ihr vorbeirauschen. „Wenn wir nicht irgendwie deutsches Fernsehen streamen könnten, würden wir echt überhaupt nix mitkriegen“, meint sie.
Das gilt auch für ihre Teamkollegin Franziska Preuß, die erstmals ran darf — und von Dahlmeier als Vierte noch vom Podest geschubst wird. Für die 23-Jährige „eine kleine Wiedergeburt nach der langen Leidenszeit“ (Hönig). Wie Hanna Öberg bleibt sie fehlerfrei, doch nach großen gesundheitlichen Problemen mit Infekten und einer Nasen-OP ist sie auf der Strecke noch nicht wieder in Bestform. Preuß ist dankbar, überhaupt einen Start erhalten zu haben. „Die anderen waren einfach schneller, und ich hab’ nicht schneller gekonnt“, sagt sie, „ich war über meine Null so überrascht, dass ich die Waffe gar nicht richtig auf den Rücken gebracht habe. Jetzt bin ich echt froh.“
Wie Johannes Thingnes Bö, der nach zwei schlechten Rennen sein ersehntes Gold hat und mit Kronprinz Haakon parliert. „Ein großer Moment“, sagt Bö, „er ist schon bei den Alpinen und Langläufern gewesen — und jetzt noch bei mir. Echt cool.“
Lange hält auch Erik Lesser bei den Männern mit, der am Schießstand mit einem Fehler gut arbeitet, doch läuferisch geht es zäh, obwohl sich Sprint-Olympiasieger Arnd Peiffer (21.) als Lokomotive vor den zwischenzeitlichen Zweiten gespannt hat. Es hilft nichts. Lesser wird Neunter.