Olympia droht Konkurrenz - Scheich unterstützt Bach

St. Petersburg (dpa) - Ober-Olympier Jacques Rogge und IOC-Kronprinz Thomas Bach winkten erst einmal ab: Dem IOC drohe keine Konkurrenz aus der eigenen Familie und auch keine Entwertung seines Hochglanzprodukts Olympia.

Tatsächlich aber planen der einflussreiche Scheich Ahmad al-Sabah aus Kuwait als Präsident aller Nationalen Olympischen Komitees (ANOC) und der frisch gekürte SportAccord-Boss Marius Vizer als Chef aller olympischen und nichtolympischen Verbände Gegenspiele - und könnten bei einer engen Kooperation ein erhebliches Machtpotenzial entwickeln.

Sabah freute sich im Lenexpo Center von St. Petersburg diebisch, als der deutliche Wahlsieg des von ihm unterstützten Judo-Weltverbandspräsidenten Vizer feststand. Vizer will im Vier-Jahres-Rhythmus von 2017 an vereinte Weltmeisterschaften für 91 olympische und nichtolympische Verbände austragen.

„Ich persönlich halte diese Idee kaum für realisierbar. Die olympischen Sommersportverbände haben deutlich gemacht, dass sie diese Pläne nicht mittragen“, erklärte Bach und gab gleich einen Einblick in sein Wahlprogramm, das er kommende Woche präsentieren will. Die Einzigartigkeit der Spiele dürfe nicht gefährdet werden, er werde etwaige Pläne in diese Richtung nicht unterstützen.

Auch Sabah kokettiert immer wieder damit, Spiele unter dem ANOC-Dach veranstalten zu wollen. Der Einfluss und das Netzwerk des Arabers wachsen rasant. Als Chef der IOC-Entwicklungshilfeprogramms olympische Solidarität darf er Millionen verteilen - und jetzt führt sein Protegé Vizer auch noch SportAccord an. Der gebürtige Rumäne hat bereits erste Gespräche mit Medienunternehmen und Sponsoren geführt. Als mögliche Gastgeber der ersten „vereinten Weltmeisterschaften“ wären, so Vizer, Rom, Moskau oder die USA denkbar. Auch die arabische Welt käme infrage, die vom IOC als potenzielle Olympia-Gastgeber bisher immer verschmäht wurde.

Der unberechenbare Sabah schien über diese Entwicklungen derart euphorisiert, dass er in erster Begeisterung sogar bestätigte, er wolle bei der Wahl zum neuen IOC-Präsidenten Bach unterstützen und dies beim ANOC-Meeting am 15. Juni in Lausanne öffentlich verkünden. Weil die IOC-Ethikregeln das aber verbieten, gab er den Plan auf.

Der ehemalige Energieminister Kuwaits, bereits seit 1992 Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee (IOC), gilt als eine der Schlüsselfiguren und Stimmengarant beim Kampf um die Rogge-Nachfolge. Für Bach bergen Sabahs Machtspielchen ein gewisses Risiko. Der Jurist aus Tauberbischofsheim könnte der größte Profiteur von den Machenschaften des 49-Jährigen sein - aber auch Schaden nehmen, sollten die IOC-Mitglieder seinen Unterstützer als mögliche Gefahr und Gegenspieler für das Premiumprodukt Olympia identifizieren. Und was passiert, wenn Sabah mit seinem Stimmenpaket unter Bachs Mitbewerbern hausieren geht, um seine Vision von einem olympischen Gegenmodell doch noch zu verwirklichen?

„Das wäre eine Attacke gegen die Olympischen Spiele. Die Olympischen Spiele muss man schützen“, sagte auch der Schweizer Dennis Oswald, einer von Bachs Rivalen im Präsidentenrennen, zu den ambitionierten Plänen von Vizer und Sabah. Rogge sieht das Premiumprodukt Olympia durch etwaige Gegenentwürfe jedenfalls nicht gefährdet. „Die Sommersportverbände haben erst vor zehn Tagen erklärt, dass das internationale Programm schon zu voll ist“, betonte der 71-Jährige und redete viel lieber über seinen nahenden Abschied: „Ich sehe schon das Ziel und das Banner, auf dem steht, 10. September 2013. Ich hoffe, dass ich das Ziel in guter Verfassung erreiche und meinem Nachfolger das IOC in starkem Zustand überlasse.“