Rio 2016 Olympias Flüchtlingsmannschaft

Zehn Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern starten in Rio in einer Mannschaft unter olympischer Flagge.

Rio. Es ist ein großes Podium, auf dem sie sitzen im Saal „Samba“ in Rio de Janeiro, die zehn Athleten des „Team Refugees“ und ihre beiden Trainerinnen. Sie kommen aus dem Sudan, aus Äthiopien, dem Kongo und Syrien. Und viele von ihnen wirken noch etwas schüchtern. Sie stehen normalerweise nicht so im Rampenlicht.

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Einige sprechen leise, wie Yiech Pur Biel. Doch es lohnt sich, genau hinzuhören. „Wir sind Botschafter für alle anderen, die in der gleichen Situation sind“, sagt der 21 Jahre alte 800-Meter-Läufer aus dem Südsudan. Es war ihnen wichtig, als Team zu kommen. Zu zeigen, dass sie eine Einheit sind, so unterschiedliche Wurzeln sie auch haben mögen.

Folgt man der olympischen Charta, wäre so ein Team eigentlich nicht möglich. Doch in diesem Fall schenkte das IOC ihr ausnahmsweise keine Beachtung. Einige sagen, es komme dem Präsidenten Thomas Bach ganz gut gelegen, zwischen all den Skandalen auch eine positive Geschichte zu haben, die Schlagzeilen mache. Und so starten fünf Läufer aus dem Südsudan, zwei Judoka aus der Demokratischen Republik Kongo, zwei Schwimmer aus Syrien und ein Marathonläufer aus Äthiopien in einem Team bei Olympia.

Medaillenchancen haben nur wenige. Doch deswegen sind sie nicht hier. „Wir wollen der Welt zeigen, dass wir gute Sportler sind und gute Menschen“, sagt Yusra Mardini. Die 18-Jährige traininert bei den Wasserfreunden Spandau 04, und ihre Geschichte ist mittlerweile um die ganze Welt gegangen. Nachdem bekannt wurde, dass sie im Flüchtlingsteam dabei ist, soll ihr Trainer, der mittlerweile so etwas wie ihr Manager ist, über 1000 Interview-Anfragen bekommen haben. Sie haben sie wohlsortiert und -dosiert. Auch in Rio gehen die ersten Fragen ausnahmslos an sie. Es liegt an ihrer Geschichte und sicher auch an ihrer charmanten Art, über ihr Anliegen zu sprechen. Sie will um Verständnis werben für die Situation der Flüchtlinge. „Heimatlos kann jeder werden“, sagt sie.

Vor einem Jahr flüchtet Yusra Mardini mit ihrer Familie aus Syrien. Dort lernte sie schwimmen, als sie auch zu laufen begann. Ihr Vater ist Schwimmtrainer. Die ganze Familie ist dem Wasser verbunden. Mit 14 Jahren nimmt sie an den Kurzbahnweltmeisterschaften teil und stellt über 400 Meter Freistil einen neuen Landesrekord auf. Von Damaskus flieht sie über Beirut, Istanbul und dann von Izmir Richtung Lesbos über die Ägäis. Dort sitzt sie mit etwa zwanzig Menschen in einem überfüllten Schlauchboot. Der Außenbordmotor fällt aus, das Boot droht zu kentern, viele Menschen darin können nicht schwimmen. Da springen Yusra und ihre Schwester Sara, die ebenfalls für die syrische Nationalmannschaft schwimmt, ins Meer und ziehen das Boot mit ein oder zwei weiteren Flüchtlingen an Land. Yusra Mardini weiß, was es heißt, um ihr Leben zu schwimmen und um das anderer Menschen. Der Sport hat ihr durch schwere Zeiten geholfen. „Ich habe vieles verloren“, sagt sie: „Aber nie den Sport.“ Wenn sie schwimmt, kann sie alles vergessen. „Ich lasse dann meine Probleme zurück“, erklärt sie. Und sie hat Hoffnung. Auch dieses Gefühl wollen sie und ihre Teamkollegen weitergeben. Es soll jetzt um die Zukunft gehen, sagt Rami Anis. 2011 hatten der 25-Jährige und seine Familie Syrien verlassen, damit er nicht von der Armee eingezogen wurde. „Ich habe Freunde verloren“, erzählt er: „Aber ich würde sie bitten, dass wir ab jetzt nach vorne schauen.“

Sie wollen sich und anderen Flüchtlingen zeigen, dass es Hoffnung gibt. Über 21 Millionen Menschen sind aktuellen Statistiken zufolge auf der Flucht. Eindrucksvoll erklärt Yusra Mardini, wieso sie und ihre Familie Syrien verließen. „Keiner will seine Heimat verlassen oder Drama in seinem Leben, sagt sie: „Aber wir wussten, wir hatten keine Zukunft mehr.“ Gerne will sie irgendwann zurück. Auch die anderen sprechen davon. „Wir müssen zurück, um den jungen, talentierten Athleten zu zeigen, dass sie es schaffen können“, sagt Yiech Pur Biel. Wieder spricht er leise, doch wieder haben seine Worte unfassbare Kraft, als er seine Vorfreude auf die Eröffnungsfeier in einen einfachen Satz packt. „Wir haben so viele Tränen der Trauer vergossen“, sagt er: „Diesmal werden es Tränen der Freude sein.“