Olympiasieger Steiner: Familie wichtiger als Medaillen

Hamburg (dpa) - Er war der stärkste Mann der Welt, gewann Bambi und Silbernes Lorbeerblatt, er war Sportler des Jahres, er war Olympiasieger - und er ist Ehemann und zweifacher Vater. Weil Matthias Steiner ein Familienmensch ist, hat er sich gegen seine Leidenschaft Gewichtheben entschieden.

„Ausschlaggebend war der Faktor Zeit“, begründet der 30 Jahre alte Superschwergewichtler seinen Rückzug vom Leistungssport. „Ich habe gemerkt, es bleibt irgendetwas auf der Strecke. Und ich möchte nicht, dass es meine Kinder sind.“

Der dramatische Unfall auf der Olympia-Bühne von London, als ihm die 196-Kilo-Hantel in den Nacken gestürzt war und er noch Monate an den schmerzhaften Folgen zu leiden hatte, habe ihn nicht zum Rückzug bewogen. „Das hat definitiv keine Rolle gespielt“, sagt der 150-Kilo-Recke, der Tage zuvor noch unter der Last des Eisens ächzte und grübelte, ob er im Oktober an der WM teilnehmen sollte.

Olympiasieger bleibt er immer. Und zwar keiner von der Stange. Die nämlich geraten in Vergessenheit. Nicht aber Steiner, der sich mit seiner unter die Haut gehenden Lebensgeschichte vermutlich dauerhaft in die Herzen der Menschen gegraben hat. „Die Leute haben an mir einen Narren gefressen“, sagte Steiner einst, und es machte ihn stolz. „Ich liebe es, ein außergewöhnlicher Olympiasieger zu sein.“

Schuld daran ist nicht nur sein phänomenaler Wettkampf, als er bei Olympia in Peking mit nie zuvor und nie mehr danach bewältigten 461 Kilogramm Gold eroberte. Das in die Fernsehkameras gehaltene Foto seiner bei einem Autounfall getöteten Frau Susann machte den Moment des Triumphes zum vielleicht immerwährenden Gänsehauterlebnis. Es rührte die Menschen, als er von der Wut erzählte, die ihn nach dem Verlust des geliebten Menschen in die Trainingshalle trieb und zum Eisenfresser werden ließ. Wegen der Sächsin, die sich bei einer TV-Übertragung in ihn verliebt hatte, war der aus Obersulz in Österreich stammende Schwerathlet nach Deutschland gezogen.

Heute führt Steiner ein neues Leben. Der Heidelberger möchte nicht mehr über die Vergangenheit sprechen, nicht auf das traurige Erlebnis reduziert werden. Seit zwei Jahren ist er mit der Fernsehmoderatorin Inge Posmyk verheiratet, hat zwei Söhne, der eine drei Jahre, der andere vor wenigen Wochen geboren. Unbewusst ist es vielleicht auch die Angst, etwas falsch zu machen, etwas zu verpassen im Leben, was Familie und Verantwortung betrifft. Schwerer als diese Entscheidung konnte kein Gewicht wiegen.

„Eine große Karriere ist zu Ende gegangen, und ich denke, dass seine Entscheidung richtig ist“, sagt Sportdirektor Frank Mantek, der Steiner zu Olympia-, WM- und EM-Gold geführt hatte. „Matthias hat alles erreicht, was man in einer Karriere erreichen kann.“ Mantek ist gerührt. „Im Rückspiegel schaue ich voller Stolz auf unser Werk. Und das nicht nur im Sportlichen.“

Steiner wird sich nicht aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Der gelernte Gas- und Wasser-Installateur möchte seine Meinung in Talkshows kundtun, hält gern Vorträge über Leistungs- und Persönlichkeitsentwicklung, gibt als Diabetiker Mitbetroffenen Rat, wie man trotzdem an die Leistungsgrenzen gehen kann. „Er redet gern und viel, kommt sympathisch rüber“, sagt seine Frau Inge. Steiner hofft auf eine Fernsehkarriere. Den Anfang hat er mit der Spielshow „Steiner gegen alle“ im SWR-Fernsehen gemacht. Da kämpft er gegen eine ganze Stadt, zieht Planwagen, betreibt Hammer-Boxen. Was er auch tut, ein Herkules bleibt er wohl immer.