Alle gegen Cancellara bei Paris-Roubaix
Paris (dpa) - Der Pflasterstein als Siegertrophäe steht für Fabian Cancellara im alten Velodrom von Roubaix zur Abholung bereit.
Den Eintrag in die Rekordlisten des Radsports kann der Schweizer obendrein schaffen: Mit seinem vierten Triumph würde Cancellara zu den belgischen Rekordsiegern Roger De Vlaeminck und Tom Boonen aufschließen. Zugleich wäre der viermalige Zeitfahr-Weltmeister der erste Radprofi, dem zum dritten Mal das Double aus Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix gelingen würde.
Davon trennen den Ausnahmefahrer am Sonntag noch eine 257 Kilometer lange Tortur durch die „Hölle des Nordens“ mit ihren ruckeligen Kopfsteinpflaster-Passagen aus den Zeiten Napoleons. Nach Cancellaras beeindruckendem Sieg bei der Flandern-Rundfahrt stellt sich für viele Experten weniger die Frage ob, als vielmehr wie er die 112. Auflage des berüchtigten Frühjahrsklassikers Paris-Roubaix gewinnt. Mit seinem achten Sieg bei einem der fünf sogenannten Radsport-Monumente würde er auf den sechsten Platz dieser so erlesenen und von Eddy Merckx mit 19 Siegen einsam angeführten Rangliste klettern.
„Ich liebe dieses Rennen, diese Herausforderung für Material und Mensch“, sagt Cancellara, der in den vergangenen Jahren im Norden Frankreichs große Auftritte hingelegt hatte. Wie 2010 etwa, als er 50 Kilometer vor dem Ziel derart überlegen allen davongefahren war, als würde das Rad des Berners über einen Motor verfügen. Oder 2013, als er im Stile eines Bahnsprinters auf der Betonpiste der altehrwürdigen Radrennbahn gegen den Belgier Sep Vanmarcke triumphierte.
Ist Cancellara überhaupt zu schlagen? Kapitulieren wollen die wenigen Rivalen des Schweizers im Vorfeld jedenfalls nicht. „Roubaix ist ein ganz anderes Rennen und hat seinen eigenen Charakter“, sagt John Degenkolb und peilt einen Platz unter den besten Zehn an. Nach seiner kleinen Enttäuschung in Flandern mit Rang 15 bereitet sich der Frankfurter bereits seit Mittwoch akribisch auf sein persönliches Lieblingsrennen vor, das er einmal gewinnen will.
Die größten Chancen, Cancellara gefährlich zu werden, dürften aber eher der belgischen Fraktion eingeräumt werden. Wie etwa Boonen, der nach Platz sieben am vergangenen Sonntag auf eine Steigerung hofft. „Ich bin gut drauf, vielleicht hat mir diese Woche das nötige Extra für Paris-Roubaix gegeben“, sagt der Belgier, der sich wie Cancellara am Mittwoch beim vom deutschen Sprinter Marcel Kittel gewonnenen Scheldeprijs für Sonntag schonte.
Das ist auch nötig, denn beim Mythos Paris-Roubaix wird den Fahrern wieder alles abverlangt. 51,1 Kilometer führen über die berüchtigten Pavés, die in 28 Sektoren eingeteilt sind. Die schlimmsten Abschnitte wie der Wald von Arenberg, wo sich 1998 Johan Museeuw bei einem schlimmen Sturz die Kniescheibe brach, sind mit fünf Sternen ausgezeichnet. Bei Regen wird es traditionell eine Schlammschlacht, ansonsten steht den Radprofis bei der Fahrt entlang der nordfranzösischen Rübenäcker eine staubige Angelegenheit bevor.
In Sir Bradley Wiggins will diesmal sogar ein früherer Tour-de-France-Sieger vorne mitmischen. „Ich möchte gut fahren, sonst würde ich erst gar nicht antreten. Es wäre schön, wenn ich in der finalen Phase noch in der vorderen Gruppe dabei bin. Wie ich dann die Jungs schlagen kann, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht“, sagte der Brite. Er könne nun die Risiken eingehen. Schließlich habe er nicht mehr wie in den vergangenen Jahren die Tour als großes Ziel vor Augen.