André Greipels Wandlung zum Siegfahrer bei der Tour
Gap (dpa) - André Greipel hat am Sonntag in Valence bereits seinen dritten Etappensieg bei der 102. Tour de France geschafft. Für seinen Teamchef Marc Sergeant ist er schon jetzt „der beste Sprinter der Tour“.
Das war im vergangen Jahr noch anders, als er im Schatten seines diesmal fehlenden Landsmannes Marcel Kittel stand. Die „L'Équipe“ feierte ihn am Montag („Optimal gelaufen“) auf ihrer Titelseite - was einem Ritterschlag gleichkommt. Die Leitung seines belgischen Teams war schon vor Ende der Etappe ziemlich sicher, dass ihr „Gorilla“ wieder zuschlägt. Sie wies die Hotelleitung des Teamquartiers an, Champagner kalt zu stellen.
Die Deutsche Presse-Agentur nennt Gründe fürGreipelsDominanz:
TEAM: Die komplette Mannschaft von Lotto-Soudal ist auf Greipel ausgerichtet. Hatte das Team in früheren Jahren noch Ambitionen im Gesamtklassement (Jurgen van den Broeck) oder sogar einen zweiten Siegfahrer am Start (Philippe Gilbert), geht es in diesem Jahr einzig um Etappensiege. Leute wie Greipels Bodyguard Marcel Sieberg und weitere Fahrer stellen sich komplett in den Dienst ihres Kapitäns.
FORM: Greipel hat es geschafft, sich rechtzeitig für den Saison-Höhepunkt in Form zu bringen. In früheren Jahren haftete ihm der Makel an, „nur beschissene kleine Rennen zu gewinnen“, wie sein Rivale Mark Cavendish mal abfällig äußerte. Doch seit fünf Jahren hat Greipel bei der Tour immer mindestens eine Etappe gewonnen. Neun sind es bereits insgesamt, womit er in der deutschen Bestenliste nur noch den wegen seiner Dopingvergangenheit umstrittenen Erik Zabel (zwölf Erfolge) vor sich hat. In diesem Jahr ist Greipel in der Vorbereitung den Giro d'Italia gefahren, was sich offenbar positiv auswirkt.
CLEVERNESS: Hatte Greipel früher in den hektischen Sprint-Finals mitunter den Überblick verloren und leichtfertig eine gute Position verspielt, zeigt er sich im Alter von 33 Jahren clever und gereift. Sein Meisterstück war sicher die Etappe nach Zeeland, als er Mark Cavendish im Wind stehen ließ und davonsprintete. Bei der Tour hat Greipel zudem bewiesen, dass er auch ohne organisierten Sprintzug problemlos Etappen gewinnen kann. In Valence hatte er sich das Hinterrad von Alexander Kristoff gesucht und von dort aus gewonnen. Nicht einmal von Schaltproblemen ließ er sich aus dem Konzept bringen, was früher undenkbar schien.
RENNHÄRTE: Eine Bergetappe wird Greipel zweifelsohne nie gewinnen, am ersten Hügel lässt sich der Rostocker aber nicht mehr abhängen. Der zweimalige deutsche Meister weiß sich zu quälen. Auf dem Weg nach Valence konnte er sich trotz einiger Anstiege im Feld halten, während etwa Cavendish abreißen lassen musste. Schon in den Klassikern im Frühjahr hatte Greipel seine Rennhärte gezeigt. Eine Entwicklung, die bei vielen Sprintern (Zabel, Laurent Jalabert) im höheren Sportleralter zu verzeichnen war.
GEGNER: Die Erfolge Greipels haben sicher auch mit der teils schwächelnden Konkurrenz zu tun. Marcel Kittel, der überragende Mann aus den Jahren 2013 und 2014, fehlt bei der Tour wegen mangelnder Form. Auch Cavendishs Glanzzeiten liegen schon einige Jahre zurück. Dazu kommt, dass die französische Sprint-Hoffnung Nacer Bouhanni nach einem Sturz verletzt aufgeben musste.