BDR-Chef: Erst Rücktrittsankündigung - nun Kehrtwende?
Berlin (dpa) - Kommt nach der Rücktrittsankündigung jetzt die Kehrtwende? Rudolf Scharping könnte bei der Jahreshauptversammlung des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) am 23. März in Gelsenkirchen nun doch für eine dritte Amtszeit als Präsident zur Verfügung stehen.
„Er macht wieder Wahlkampf“, erklärte sein Kritiker Hans Lutz, Olympiasieger im Bahnvierer von 1976 und Chef des Landesverbandes Württemberg. Am Sonntag hat sich Scharping laut Landespräsident Toni Kirsch bei der Mitgliederversammlung Nordrhein-Westfalens angesagt, am Tag davor schlägt er in Baden auf. Dazu hieß es am Donnerstag in einer BDR-Erklärung: „Wenn Herr Scharping Sponsorengespräche führt, oder Landesverbände besucht, so nimmt er damit seine ganz normalen Pflichten als Präsident eines Sportverbandes wahr“.
Im Dachverband hatte man sich vorher beeilt, zu erklären, dass es „nie eine offizielle BDR-Mitteilung“ zum bevorstehenden Rücktritt Scharpings gegeben habe. Obwohl eine Mitteilung auf „rad-net.de“, dem nach Eigendefinition „amtlichen Organ und Medienpartner des BDR“, vor einer Woche kaum misszuverstehen war.
Dort war schwarz auf weiß als Scharping-Zitat zu lesen: „Angesichts meiner geschäftlichen Belastungen und der jetzigen Umstände der Arbeit im Präsidium des BDR habe ich dem BDR-Präsidium mitgeteilt, dass ich im März nicht erneut für das Amt des Präsidenten kandidiere.“ Die Sachlage „in der Frage der Präsidentschaft ist unverändert“, ließ Scharping am Donnerstag wissen.
Unter Umständen könnte es in Gelsenkirchen zum Showdown, zu einer Kampfabstimmung kommen. Denn Sylvia Schenk, zwischen 2001 und 2004 schon einmal BDR-Präsidentin, steht als mögliche Nachfolgerin des ehemaligen Verteidigungsministers im Verband weiterhin bereit. Aber die Juristin aus Frankfurt, wie Scharping in der SPD, hat „keinerlei Interesse an Machtspielen“. Ihr gehe es ausschließlich um inhaltliche Auseinandersetzungen.
„Der Radsport täte gut daran, sich einer inhaltlichen Diskussion zu stellen. Ich wäre bereit, mich einzubringen. Es lohnt, sich im Radsport zu engagieren - das ist mein Angebot an diesen schönen Sport. Es gibt viel Frust“, sagte Schenk, Vorstandsmitglied der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International und dabei auch vernetzt mit der Welt-Anti-Doping-Behörde WADA und dem USA-Pendant und erfolgreichen Lance-Armstrong-Gegenspieler USADA. Scharpings Eifer, sich im Anti-Doping-Kampf unmissverständlich zu positionieren, gilt bei vielen Kritikern als überschaubar.
Wenn sie spüre, dass die Bereitschaft zur Auseinandersetzung um Inhalte in den Landesverbänden vorhanden sei, werde sie antreten, „und dann wäre es auch kein Problem, bei einer Abstimmung zu verlieren“, sagte Schenk, die vor allem auch für mehr Transparenz im Anti-Doping-Kampf sorgen will, der Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag. Allerdings schätzte sie die Aufbruchstimmung als „etwas zäh“ ein. „Wenn alle nur ihre Ruhe haben wollen, macht es ja keinen Sinn, anzutreten. Ich muss das Amt nicht auf Teufel komm raus haben“.
Dem gewieften Wahlkämpfer Scharping könnte in die Karten spielen, dass sich viele Funktionäre vielleicht vor zu viel frischem Wind à la Schenk fürchten. Außerdem hält der längst pensionierte, ehemalige Sportdirektor und Scharping-Freund Burckhard Bremer (Berlin) hinter den Kulissen noch immer viele Fäden in der Hand. Dessen undurchsichtige Politik in Dopingfragen war mit ein Grund dafür, dass es zum Zerwürfnis kam und Schenk vor neun Jahren an der Verbandsspitze durch Scharping ersetzt worden war.
Wenn alle Delegierten erscheinen, sind am 23. März 605 Stimmen aus den 17 Landesverbänden, den Landes-Präsidien und dem Bundes- Präsidium zu vergeben. Nordrhein-Westfalen mit dem Scharping-Kritiker Toni Kirsch an der Spitze („Ich hätte auch gedacht, er tritt nicht mehr an“) ist mit mehr als 100 Stimmen der einflussreichste Landesverband.