BDR-Chef Scharping vor Rückzug - Schenk vor Rückkehr
Berlin (dpa) - Rudolf Scharping steht vor dem Rückzug, Sylvia Schenk vor der Rückkehr. Der Stuhl des Präsidenten beim Bund Deutscher Radfahrer (BDR) wird am 23. März in Gelsenkirchen neu besetzt.
Nachdem Rudolf Scharping seinen Rückzug als BDR-Chef auf einer Präsidiumssitzung angekündigt hatte, erklärte die streitbare Juristin Schenk der Nachrichtenagentur dpa: „Ich kann mir alles vorstellen“ und gab auch schon eine kleine „Regierungserklärung“ ab. In Gesprächen in einigen der 17 Landesverbände hat sie offenbar die Stimmung schon eruiert.
„Im Radsport muss endlich eine klare Linie gegen Doping gefahren werden. Das muss vor allem offensiv nach außen vertreten werden. Alle Sparten des Radsports werden in diesen Sog gezogen, dabei stellt der Straßenradsport sicher das Hauptproblem dar“, erklärte die ehemalige Leichtathletin, die die Führung des Welt-Radsport-Verbandes UCI im Zuge der Doping-Affäre Lance Armstrong scharf kritisiert und indirekt den Rücktritt von Pat McQuaid und UCI-Ehrenpräsident Hein Verbruggen gefordert hatte.
Mit Verbruggen und McQuaid, denen Korruption vorgeworfen wird, war Schenk schon in ihrer Zeit als BDR-Präsidentin zwischen 2001 und 2004 und danach aneinandergeraten. Verbruggen hatte sie wegen ihrer offenen Worte zum Doping-Problem und ihrer Forderung nach mehr Transparenz schon mal mit den Worten „Das hier ist eine Welt der Männer, und Sie sind eine Frau, also müssen Sie sich anpassen“ bedacht. Im Moment sitzt die 60-Jährige im Vorstand der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International.
Scharping wolle auf der Bundeshauptversammlung nicht für eine dritte Amtszeit kandidieren, teilte der frühere Politiker am Mittwochabend mit. „Angesichts meiner geschäftlichen Belastungen und der jetzigen Umstände der Arbeit im Präsidium des BDR habe ich dem Präsidium mitgeteilt, dass ich im März nicht erneut für das Amt des Präsidenten kandidiere“, sagte Scharping nach einer Vorstandssitzung in Frankfurt, wie der Verband auf seiner Homepage bekanntgab. Intern gilt Bundesjugendwart Toni Kirsch (Bergheim) im Präsidium als stärkster Widersachers Scharpings. Ende Januar beim Berliner Sechstagerennen hatte der frühere Kanzler-Kandidat noch signalisiert erneut anzutreten, „wenn meine Mannschaft steht“.
Der ehemalige SPD-Vorsitzende und Verteidigungsminister, der inzwischen als Firmenberater unter anderem viel in China aktiv ist, steht seit März 2005 an der Spitze des BDR. Er hatte Schenk abgelöst, nachdem sie sich mit dem ehemaligen Sportdirektor und Scharping-Intimus Burkhard Bremer wegen undurchsichtiger Anti-Doping-Politik überworfen hatte. Nicht nur in den Landesverbänden wuchs zuletzt die Kritik an Scharping, der für Alleingänge bekannt ist und sich oft als über den Dingen schwebend betrachtete. Das hatte zuletzt auch massive Kritik einiger Aktiver bei den Olympischen Spielen in London hervorgerufen.
Zuletzt war der BDR nach den zahlreichen Doping-Enthüllungen im internationalen Radsport in die Kritik geraten, sich nicht entschiedener in der Problematik positioniert zu haben. Der bekennende UCI-Kritiker Jean Regenwetter hatte als Luxemburger Radsport-Präsident bei der vergangenen Straßen-WM in Valkenburg/Niederlande das angebliche Desinteresse Scharpings an Verbandsarbeit beklagt. Der sei ja bei den UCI-Präsidiumssitzungen „nie da“, sagte Regenwetter über den Verbands-Chef.
Bei der letzten Vorstandswahl 2009 in Leipzig war die Scharping-Opposition mit ihrem Präsidentschafts-Kandidaten Dieter Berkmann gescheitert. Einer erneuten Kampfabstimmung - eventuell gegen Schenk - würde sich Scharping aber wohl auf keinen Fall stellen.
Vierer-Olympiasieger Hans Lutz, Radsport-Präsident des Landesverbandes Württemberg, ist einer der großen Fürsprechers Schenks. „Meine Unterstützung hat sie. Schon als sich im Dezember andeutete, dass Scharping eventuell nicht mehr kandidiert, haben wir in den Landesverbänden sondiert und ich habe Gespräche mit Frau Schenk geführt“, sagte Lutz der dpa. Vorbehalte bei einigen Delegierten aus Zeiten ihrer vorangegangenen Präsidentschaft im BDR hat Lutz nicht ausgemacht: „Sie rennt bei uns offene Türen ein.“