Tour de France Deutsche Sprinter wollen Gelb und Etappensiege
Berlin (dpa) - Marcel Kittel baut keine Luftschlösser. „Die Wiederholung der Erfolge des superkrassen Jahres 2017 sind unrealistisch“, sagte der 30 Jahre Radprofi der Deutschen Presse-Agentur vor Beginn der 105. Tour de France in Noirmoutier.
Fünf Tageserfolge konnte der Thüringer bei der Frankreich-Rundfahrt 2017 bis zu seiner Aufgabe auf der 17. Etappe einfahren. Insgesamt 14 Etappensiege stehen in Kittels Vita - so viele wie bei keinem anderen deutschen Radprofi. Auch in diesem Jahr ist ein Tageserfolg trotz eines mageren Frühjahres - mit lediglich zwei Siegen bei der italienischen Fernfahrt Tirreno-Adriatico - das primäre Ziel des neuen Kapitäns von Katusha-Alpecin. „Mein Ziel ist wie in jedem Jahr, eine Etappe zu gewinnen“, erklärte der Wahlschweizer ganz bescheiden.
Mit einem Sieg bei der Auftakt-Etappe über 199 Kilometer von der Atlantikinsel Noirmoutier nach Fontenay winkt dem Tagessieger das erste Gelbe Trikot der diesjährigen Tour. „Ich habe die letzten Kilometer abgefahren. Da ist ein bisschen Pfeffer drin, am Schluss mit vielen Richtungsänderungen und die letzten 200 bis 300 Meter ansteigend“, berichtete Kittel und ergänzte: „Gelb ist drin, aber ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen“. Gelb zum Auftakt: Das schaffte der Sonnyboy aus Arnstadt schon 2013 und 2014.
In den vergangenen Jahren machten die Sprinter das Sommertheater der Franzosen zur Tour d'Allemagne. Nicht weniger als 25 Etappensiege konnten Kittel (14) und André Greipel (11) seit 2011 einfahren. Der gebürtige Rostocker vom belgischen Team Lotto Soudal ging im Vorjahr erstmals seit seinem Tour-Debüt vor sieben Jahren leer aus und will sich mit weiteren Erfolgen für einen neuen Vertrag empfehlen.
Bei der deutschen Meisterschaft in Einhausen am vergangenen Sonntag gingen Kittel und Greipel leer aus. Beim Sieg des jungen Pascal Ackermann musste sich Greipel mit Platz vier, Kittel gar mit Rang zehn zufrieden geben. Zumindest John Degenkolb konnte als einziger Tour-Teilnehmer als Zweiter auf das Podium sprinten. Erstmals seit 2012 wird man bei der „Großen Schleife“ das Trikot mit dem schwarz-rot-goldenen Brustring vergeblich suchen - der neue deutsche Straßenmeister Ackermann wurde vom deutschen Bora-hansgrohe-Rennstall nicht nominiert.
Vor allem für Kittel und seine deutschen Teamkollegen gab es nach der Generalprobe in Südhessen Redebedarf. „Im Sprint ist irgendwas schief gelaufen - Marcel war nicht an meinem Rad, und ich habe ihn nicht gesehen. Da müssen wir noch einmal drüber sprechen, was da nicht funktioniert hat“, meinte Kittels letzter Anfahrer Rick Zabel. In Frankreich sollen der Sohn des einstigen Sprintstars Erik Zabel, wie auch seine Landsleute Tony Martin und Nils Politt Kittel als Lokomotive zum erhofften Tagessieg verhelfen.
Seinen ersten Tour-Etappensieg hat auch Degenkolb noch nicht abgeschrieben - auch wenn der Mailand-Sanremo- und Paris-Roubaix-Sieger 2015 seit seinem schweren Trainingsunfall 2016 weiter auf der Suche nach der Topform ist. „Nach sechs Jahren ist es natürlich mein großer Traum, endlich meine erste Tour-Etappe zu gewinnen“, sagte der 29-jährige Trek-Segafredo-Profi. „Aber ich versuche relativ entspannt da ran zu gehen, wenn es nicht klappt, dann eben nicht. Ich fühle mich frisch und guter Dinge“, ergänzte der in Oberusel lebende Thüringer, den im Frühjahr eine Schleimbeutel-Verletzung im Knie für einige Wochen ausgebremst hatte.
Doch Kittel & Co. müssen sich auf der Jagd nach Tagessiegen auf namhafte Konkurrenz einstellen. Nach seinem letztjährigen Tour-Ausschluss giert Weltmeister Peter Sagan nach weiteren Erfolgen auf dem französischen Asphalt. Der Australier Michael Matthews aus dem deutschen Sunweb-Team möchte sein Grünes Trikot mit möglichst vielen Tageserfolgen verteidigen. Auch der Niederländer Dylan Groenewegen, im Vorjahr Sieger der prestigträchtigen Schlussetappe in Paris, der kolumbianische Tour-Neuling Fernando Gaviria, der Franzose Arnaud Démare oder der mit 30 Tageserfolgen noch aktive Tour-Rekord-Etappensieger Mark Cavendish aus Großbritannien stehen an der Spitze der Herausforderer.