Doping-Schock - Schleck beteuert Unschuld
Pau (dpa) - Der Doping-Schock um Fränk Schleck hat bei der 99. Tour de France sogar das wohl rennentscheidende Pyrenäen-Spektakel in den Hintergrund gedrängt.
Vor dem Start ins Hochgebirge gab es bei tropischen Temperaturen vor dem noblen Palais Beaumont von Pau nur ein Gesprächsthema: Schlecks positiver Testbefund auf ein zur möglichen Verschleierung von Doping-Mitteln dienendes Diuretikum. Mannschaftskollege und Freund Jens Voigt war geschockt, Ex-Teamchef Brian Nygaard sprach vom „schlimmsten Szenario“. Der Radprofi aus Luxemburg war zu dem Zeitpunkt mit seiner Frau und Tochter schon im Auto Richtung Heimat unterwegs. Schleck beteuert seine Unschuld.
„Dass er nicht mehr am Start ist, war eine weise Entscheidung und die einzig denkbare“, reagierte Rundfahrt-Chef Christian Prudhomme auf das abrupte Aus des Vorjahresdritten. Wieder hoffte der Patron vergebens auf eine „saubere Tour“, die schon nach der Festnahme des Franzosen Rémy Di Grégorio wegen Doping-Ermittlungen ins Straucheln geraten und mit dem ewigen Reizthema konfrontiert worden war.
Der betroffene Rennfahrer reagierte reflexartig. „Ich streite ab, irgendeine verbotene Substanz genommen zu haben. Ich kann mir das Resultat nicht erklären und bestehe auf Öffnung der B-Probe“, erklärte der eine Zweijahressperre riskierende Schleck in einer Stellungnahme. Bruder Andy sprang ihm verbal mit großen Worten bei. „Bei meinem Leben und bei meiner Familie, bin ich sicher, dass er nichts genommen hat“, sagte der Tour-Sieger 2010 der Zeitung „Le Parisien“. Der jüngere Brüder hatte die Tour verletzt verpasst.
„Das ist so ziemlich das schlimmste Szenario, was entstehen konnte. Ich glaube ihm. Aber eine gewisse Skepsis bleibt - das hat mich der Radsport gelehrt“, beurteilte Brian Nygaard die Situation. Der Däne war im Vorjahr bei Leopard-Trek Teamchef des Luxemburgers und ist eng mit Schleck befreundet.
Jens Voigt hatte sich am frühen Mittag als erster RadioShack-Fahrer aus dem dicht belagerten Mannschaftsbus getraut und stand in drei Sprachen Rede und Antwort. „Man kann jetzt nicht so tun, als sei nichts passiert. Das ist kein leichter Moment für mich, aber Fränk ist mein Freund und bleibt mein Freund“, sagte der 40-jährige Routinier und älteste Tour-Teilnehmer. „Wir müssen jetzt versuchen, mit sechs Fahrern noch bis Paris zu kommen“, meinte er.
Der Radsport-Weltverband UCI, der Schleck offensichtlich gezielt für eine Probe am 14. Juli in Cap d'Agde ausgesucht hatte, hatte den Fahrer und die Öffentlichkeit am Dienstagabend von „Unregelmäßigkeiten in einer Kontrolle“ unterrichtet. Dabei benutzte der Verband nahezu exakt die selben Formulierungen in der Erklärung wie vor Jahresfrist beim Fall Alexander Kolobnew. Der Russe war ebenfalls mit Diuretika aufgefallen, nach seinem Tour-Rückzug aber freigesprochen worden. Sein Teamchef Hans-Michael Holczer, früher ein Verfechter für Transparenz und offene Worte im Kampf gegen Doping, nahm zu der Affäre keine Stellung: „Nicht mal im Off“ würde er etwas sagen.
„Fränk hätte theoretisch starten dürfen, aber das machte unter diesen Umständen keinen Sinn“, sagte Mannschaftssprecher Philippe Maertens. „Wir vertrauen ihm und müssen ihn auch schützen.“
Schleck war am Abend von der Polizei in Pau verhört worden. Er hätte dort freiwillig ausgesagt, teilte sein Team mit. Offenbar wollte er einer Festnahme durch die Polizei entgehen, wie sein Teamchef Alain Gallopin erzählte. Das Präparat Xipamid steht nicht auf der Dopingliste, kann aber zur Verschleierung anderer Medikamente eingesetzt werden.
Für den Luxemburger ist dies nicht der erste Dopingverdacht: 2008 musste er nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ zugeben, dem spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes Geld überwiesen zu haben. „Der damalige Fall und der jetzige haben nichts miteinander zu tun. Für seine Kontakte zu Fuentes wurde er nicht bestraft“, erklärte sein Ex-Teamchef Bjarne Riis, der 2007 selbst Doping gestanden hatte. Der Däne sei durch den Schleck-Befund „geschockt gewesen“.
Der Luxemburger Profi kündigte juristische Schritte an. „Sollte die B-Probe das erste Analyse-Ergebnis bestätigen, werde ich eine Klage gegen Unbekannt einreichen wegen Vergiftung“, sagte Schleck. Die zweite Probe soll am Sonntag geöffnet werden.
Schlecks positiven Befund lieferte das bei Dopern berüchtigte Labor Chatenay-Malabry. Dort wurden 1999 auch die positiven und erst sechs Jahre später analysierten EPO-Proben von Tour-Rekordsieger Lance Armstrong untersucht. „Wir werden uns mit Chemikern und eventuell Dopingexperten zusammensetzen, weil wir selbst nicht genau wissen, um was für ein Mittel es sich handelt“, sagte Andy Schleck dem Radiosender DNR. „Ich habe 110 Prozent Vertrauen in meinen Bruder.“
Der Fall Fränk Schleck ist der vorläufige traurige Tiefpunkt der Pech-und-Pannen-Geschichte des vermeintlichen Superteams RadioShack, das in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten zu sein scheint: Teammanager Johan Bruyneel etwa verzichtete wegen der Verstrickung in die Dopingaffäre Armstrong auf die Frankreich-Reise, Andy Schleck fehlt verletzt. Eigentlich fehlte nur noch ein Dopingfall.