Ex-Profi Kimmage zweifelt an Wiggins Toursieg
Berlin (dpa) - Paul Kimmage wirft einen Schatten des Misstrauens auf den zukünftigen „Sir“ Bradley Wiggins. Der irische Ex-Radprofi und Buchautor meldete Zweifel am bemerkenswerten Tour-de-France-Sieg des dürren Briten an.
„Ich kenne niemanden, der sagen könnte, dass dies ein völlig überzeugender Toursieg ist“, sagte Kimmage in einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und zog Vergleiche des Formaufbaus und der Rennstrategie zwischen dem ersten britischen Toursieger und dem wegen Dopings auf Lebenszeit gesperrten Lance Armstrong. Wiggins wird in den kommenden Monaten von der Queen im Buckingham Palace zum Ritter geschlagen werden.
Läge man den gleichen Maßstab an wie bei Armstrong, gebe es bei Wiggins laut Kimmage „ähnliche Felder, die alarmierend sind“. Beide hätten in Michele Ferrari und Geerd Leinders umstrittenen Ärzten vertraut. Beide bereiteten sich regelmäßig auf Teneriffa in geringer Entfernung zum Wohnort des vor einem Doping-Prozess stehenden Mediziners Eufemiano Fuentes vor. Und in beiden Fällen hätten mehrere Fahrer den Kern der Mannschaft gebildet, „die drei Wochen lang stark fahren, ohne einen schwachen Tag“. Die Top-Rennfahrer der neuen Generation seien laut Kimmage „unglaublich mager und unglaublich stark“. Wiggins hat Doping-Vorwürfe in der Vergangenheit stets vehement bestritten.
Im Fall Armstrong sieht UCI-Präsident Pat McQuaid kein eigenes Verschulden durch Nachlässigkeit oder aktive Manipulation, wie manche Vorwürfe lauten. Die Rücktrittsaufforderungen weist der Chef des internationalen Radsport-Verbandes von sich. Er sei „der beste Mann“ auf diesem Posten, sagte McQuaid zum Jahreswechsel der Zeitung „The Irish Examiner“. Unter seiner Ägide sei Doping im Radsport deutlich eingedämmt worden. Der Ire, seit 2006 im Amt, will im September in Florenz erneut kandidieren und ist mit seiner Arbeit zufrieden: „Ich sehe keinerlei Grund zurückzutreten“. UCI-Kritiker Jamie Fuller sah in einem dpa-Gespräch wenig Chancen auf die Abwahl McQuaids.
Dass der Radsport beim Thema Doping Schritte in die richtige Richtung getan hätte - dem widerspricht nicht nur Benedetto Roberti. Der Richter im Fall des wegen seiner Doping-Verwicklungen angeklagten Mediziners Michele Ferrari alarmierte in dem italienischen Magazin „Tuttobici“ mit den Worten: „Nichts hat sich geändert. Es ist nicht wahr, dass sich die Situation in den vergangenen Jahren gebessert hat. Ich habe Dinge gesehen, die kann man sich nicht vorstellen.“
Der selbst aktive Radsportler, der auch mit der US-Anti-Doping- Behörde USADA im Fall Armstrong zusammenarbeitete, erwähnte neue, nicht nachzuweisende EPO-Mittel. „Wir haben es mit skrupellosen Leuten zu tun, die sich alles spritzen, ohne die Folgen zu bedenken. Sie verwenden aus Krankenhäusern gestohlene Produkte und Mittel aus Osteuropa oder Fernost, ohne jede Qualitätsgarantie“, meinte Roberti.
Der 50-jährige Kimmage, der dreimal die Tour bestritt, verklagte McQuaid und seinen nicht weniger umstrittenen Vorgänger Hein Verbruggen wegen Rufschädigung. Außerdem beschuldigte er die beiden Funktionäre, in ihren Beziehungen zu Armstrong „betrügerisch gehandelt“ zu haben. In diesem Zusammenhang erwähnte er die niemals restlos geklärten Umstände der Geldzuwendungen des einstigen Seriensiegers an die UCI.
Armstrong, dem in seiner Hochzeit besonderer UCI-Schutz gewährt wurde - so ein Vorwurf nicht nur von Kimmage - zahlte in zwei Tranchen zusammen 125 000 Dollar an den Verband. McQuaid hatte dazu mehrfach erklärt, das Geld sei zur Dopingbekämpfung eingesetzt worden. Die Schweizer Staatsanwaltschaft entscheidet nun, ob Ermittlungen aufgenommen werden. „Das Problem des Radsports hat nicht mit Armstrong begonnen und hört nicht mit ihm auf“, sagte Kimmage.