Geister der Vergangenheit beschäftigen Rad-Elite (mit Video)
Wangen (dpa) - Es dauerte nicht lange, da hatten die Geister der Vergangenheit auch die neue Radsport-Generation um Tony Martin und John Degenkolb wieder eingeholt.
Das sportliche Geschehen wurde bei den deutschen Straßenrad-Meisterschaften in Wangen im Allgäu durch das Dopinggeständnis des früheren Radstars Jan Ullrich schnell in den Hintergrund gedrängt. Und die Hoffnungsträger von heute sahen sich bestätigt, dass sie für die Glaubwürdigkeit ihrer Sportart noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten haben.
„Ja, wir müssen mehr tun“, sagte der WM-Vierte Degenkolb der Nachrichtenagentur dpa. Gemeinsam mit Martin, dem Weltmeister und Landesmeister im Zeitfahren, und seinem Teamkollegen Marcel Kittel hatte sich der Profi vom Team Argos-Shimano bereits vor Wochen für ein Antidopinggesetz in Deutschland eingesetzt. Offensiv gehen sie das Thema an, auch wenn sie den Scherbenhaufen nicht zu verantworten haben.
Trotzdem hat Degenkolb lobende Worte für das halbgare Geständnis Ullrichs mit gut siebenjähriger Verspätung übrig. „Ich finde es gut, dass er das jetzt auf den Tisch gelegt hat. Das blieb bisher ja wirklich eine offene Frage. Es muss auch eine komische und belastende Situation gewesen sein, das immer zu verstecken“, sagte der Giro-Etappengewinner. Aus eigener Erfahrung wusste indes der geständige Dopingsünder Stefan Schumacher zu berichten, dass es wichtig sei, alles zu erzählen. „Das ist für dein Umfeld, deine Familie und dich selber am besten. Die Leute verdienen die Wahrheit.“
Die Szene von heute propagiert indes seit Jahren den Neuanfang. „Wir Fahrer müssen dafür sorgen, dass ein Umdenken stattfindet“, sagt Paul Martens, der jüngst die Luxemburg-Rundfahrt gewann. Er und Degenkolb hoffen auf breitere Unterstützung. „Es ist doch nicht Sache der Sportler, Gesetze zu entwerfen. Da müssen die Verbände und der Gesetzgeber aktiv werden“, fordert Degenkolb.
Dass auf ihn als einen der Initiatoren noch niemand vom Verband, vom DOSB oder vom Sportausschuss des Bundestages zugekommen ist, verwundert angesichts der üblichen, öffentlich wirksamen Antidoping-Rhetorik. Da stellen sich ein paar der wichtigsten Protagonisten des deutschen Radsports hin und werben für eine wirksamere Abschreckungskulisse gegen eine der größten Gefahren ihres Sports — und die Hüter des Sports nehmen nicht einmal den Kontakt auf.
Immerhin lobte Verbands-Präsident Rudolf Scharping in Wangen die Fahrer-Initiative als „einen großen Beitrag für die Glaubwürdigkeit des Sports und des Radsports überhaupt“. Der Ex-Verteidigungsminister sieht auch Bewegung in dieser Sache: „Der Bundestag hat Veränderungen auf den Weg gebracht. Wenn jetzt auch der Erwerb von Dopingmitteln Straftatbestand wird, ist das ein Schritt in die richtige Richtung“. Scharping forderte, „auch Handel und in den Verkehr bringen unter Strafe zu stellen. Wir brauchen ein Instrument, um Hintermänner entdecken und sanktionieren zu können.“
Solch ein Gesetz hätte allerdings keinen Einfluss auf die Aufarbeitung der Vergangenheit. Und die ist auch sieben Jahre nach dem Fuentes-Skandal um Ullrich und Co. noch ein Thema.