Giro: Vorwürfe gegen Cavendish bleiben ungeklärt

Rom (dpa) - Unerlaubte Vorteilsnahme - so lautete der Vorwurf zahlreicher Radprofis gegen einige Sprinter, die sich beim Aufstieg auf den Ätna von Hilfsfahrzeugen haben schleppen lassen. Die Jury aber ignoriert die Vorwürfe und ordnete nicht einmal eine Untersuchung an.

Augen zu und durch - so lautet die Devise beim Giro d'Italia. Zwar verdichtete sich in den vergangenen Tagen der Verdacht, dass sich eine hauptsächlich aus Sprintern bestehende Gruppe beim Aufstieg zum Ätna von Teamfahrzeugen unerlaubt helfen ließ. Doch die Jury der dreiwöchigen Rundfahrt sieht keinen Anlass, die Vorfälle erneut zu überprüfen. „Meines Wissens gibt es keine Untersuchung“, erklärte Giro-Direktor Angelo Zomegnan am Rande des Begräbnisses des beim Giro tödlich verunglückten belgischen Radprofis Wouter Weylandt der Nachrichtenagentur dpa.

Daher kann auch Mark Cavendish weiter am Giro teilnehmen. Nach dem Sieg des Briten auf der 10. Etappe waren auf der Website cylingworld.it Fotos erschienen, die zeigten, wie sich der BMC-Profi Alexander Kristoff an einem Begleitfahrzeug von Team Quick Step festhielt und den Anstieg zum Ätna hochziehen ließ. Kristoff gehörte wie Cavendish zu einer abgeschlagenen Gruppe von Fahrern, die am Fuße des Anstieg zum Vulkan bereits 25 Minuten Rückstand aufwies und nur mit einem um eineinhalb Minuten gewachsenen Abstand ins 20 Kilometer entfernte und 1200 Meter höher gelegene Ziel kam.

Dass Cavendish & Co. damit eine bessere Vorstellung am Berg ablieferten als die früheren Rundfahrtsieger Carlos Sastre und Denis Mentschow, überrascht. Der Verdacht auf unerlaubte Hilfeleistung liegt nahe. Als „eine Schande“ bezeichneten Cavendishs Sprintkonkurrenten Francisco Ventoso (Movistar) und Manual Belletti (Colnago CSF) dessen Verhalten. „Er hätte disqualifiziert werden müssen. Aber die Juroren schauen weg“, wetterte Ventoso. Auch Radsportlegende Eddy Merckx äußerte sich im italienischen Fernsehen klipp und klar: „Wer sich den Berg hochziehen lässt, gehört ausgeschlossen.“

Tatsächlich sieht Paragraf 12.1.040 des UCI-Reglements bei „Festhalten an einem Motorfahrzeug“ die Disqualifikation des Radprofis und des Fahrzeugführers vor. Falls es sich bei dem Fahrzeug um einen Mannschaftswagen handelt, muss auch dessen Teamchef das Rennen verlassen. Cavendish wies die Vorwürfe jedoch als unbegründet zurück. „Mich begleitet stets ein Juror, selbst wenn ich austreten oder ein Rad wechseln muss“, sagte er der „Gazzetta dello Sport“. Er machte Neid für die Aussagen der anderen Fahrer verantwortlich. „Es gibt ein Gesetz im Radsport wie auch sonst überall: Wer oben ist, den versucht man herunterzuziehen“, meinte der Brite.

Von Team Quick Step, zu dessen Flotte das Hilfe stellende Fahrzeug gehörte, wollte sich niemand zu dem Fall äußern. „Wir wissen von nichts. Es gibt keine Untersuchungen“, sagte Teamsprecher Alessandro Tegner.