Klöden und Martin: Ein Ziel - Zwei Wege
Saint Flour (dpa) - Beide fahren ganz vorne mit, kommen aber unterschiedlich an. Tony Martin als Vertreter der neuen Fahrer-Generation und Andreas Klöden - eher Old-School - wollen bei der Tour de France bis Paris für Furore sorgen.
Bislang ist das Duo auf gutem Weg. Der 36-jährige RadioShack-Kapitän Klöden schielt auf das Podium, der elf Jahre jüngere HTC-Profi Martin will in die Top Ten. Auch sonst gibt es unter den besten deutschen Klassementfahrern Gemeinsamkeiten: Die beiden in der DDR geborenen Radprofis verdienen ihr Geld in US-Teams und sind an ihrem Wohnort auf der Schweizer Seite des Bodensees nur wenige Kilometer voneinander getrennt.
Sie haben ähnliche sportliche Ziele, in der Eigen-PR trennen die beiden aber Welten - ihre Auftritte in der Öffentlichkeit könnten unterschiedlicher nicht sein. Martin ist der junge Aufsteiger, der gerne - und auch fundiert - Auskunft gibt. Gleich nach dem Zieleinlauf jeder Etappe bilden sich Trauben von wissbegierigen Reportern um den schwitzenden Mann. Sie werden selten enttäuscht.
Klöden stört dagegen kaum jemand. Im Vergleich zu den Vorjahren, als Tour-Rekordsieger Lance Armstrong noch das Interesse beim US-Team auf sich zog, ist es ruhig geworden am RadioShack-Bus. Dazu kommt die Fehde, in die sich Klöden mit den deutschen Medien verstrickt hat. Sein Schweigegelübde zieht der Routinier seit Jahren durch. „Nein - keine Chance. Andreas spricht nicht mit der deutschen Presse“, ließ Teamsprecher Philippe Maertens freundlich, aber bestimmt wissen. Am ersten Ruhetag wird es vorsichtshalber auch nicht - wie sonst üblich - eine Team-Pressekonferenz von RadioShack geben.
Klöden, nach der ersten Tour-Woche im internen Teamranking zur unumstrittenen Nummer eins aufgestiegen, will nicht reden. Dafür twittert er fleißig. Mittels des Kurznachrichtendienstes gibt er TV-Empfehlungen und schießt dabei gegen ARD und ZDF, die ihre Live-Berichterstattung von der Tour im kommenden Jahr einstellen werden. Sein Ton wird rüde, wenn Kritik oder Widerspruch kommen. Einem Twitter-User, der bei einer Replik das heikle Thema „Freiburg“ anschnitt, kanzelte er mit einem groben englischen Kraftausdruck ab.
Der Verweis auf die Vorkommnisse in der Sport-Universität Freiburg sind für Klöden ein rotes Tuch. Der 2009 vorgelegte Abschlussbericht der Expertenkommission zur Aufklärung der Dopingvorwürfe an der Uni stellte als gesichert fest, dass Klöden - neben anderen damaligen Teamkollegen - zur Tour 2006 mit Eigenblut gedopt wurde. Nach der Zahlung eines fünfstelligen Betrages stellte die zuständige Staatsanwaltschaft weitere Untersuchungen gegen den Radprofi ein.
Martin hat keine vergleichbare Vergangenheit. Bei seinem dritten Tour-Auftritt will der in Cottbus geborene Wahl-Schweizer mithelfen, das angekratzte Image der Sportart in Deutschland aufzupolieren. „Wenn deutsche Radprofis bei der Tour Erfolg haben, können wir vielleicht dafür sorgen, dass das Desinteresse nachlässt und auch Sponsoren wiederkommen“, hatte Martin vor der Tour erklärt.
Im ersten Drittel der Frankreich-Rundfahrt betrieben sowohl Martin als auch Klöden sportlich Werbung für sich und ihr Metier. Als neues Zugpferd für den deutschen Radsport eignet sich wohl dennoch nur einer der beiden.