London wieder im Wiggins-Fieber - „Was zählt, ist Rio“
London (dpa) - Im Blitzlichtgewitter und unter dem frenetischen Jubel der britischen Radsport-Fans stapfte Sir Bradley Wiggins ganz cool zurück in die Team-Box. Zufrieden registrierte er die Bestzeit auf der Anzeigetafel, als hätte er nichts anderes erwartet.
Der erste WM-Auftritt des Tour-de-France-Siegers von 2012 nach acht Jahren Abstinenz konnte sich bei den Bahnrad-Titelkämpfen im Olympia-Velodrome in London sehen lassen. Wiggins und Co. legten in der 4000-Meter-Mannschaftsverfolgung in 3:55,664 Minuten die beste Qualifikations-Zeit auf das Holzoval und starteten damit erfolgreich in ihre Mission Gold.
Dabei ist die WM für Wiggins nur eine Zwischenstation auf dem Weg zu den Olympischen Spielen: „Es geht nicht darum, in London zu gewinnen. Wenn wir den WM-Titel verpassen, geht die Welt nicht unter. Was zählt, ist Rio“, sagte der Superstar, der einen überzeugenden Auftritt hinlegte. Immer wenn Wiggins die Führungsarbeit im Vierer übernahm, wuchs der Vorsprung gleich an. Der deutsche Vierer musste sich indes mit einer Zeit von 4:00,127 Minuten und dem sechsten Platz begnügen.
In Brasilien will Wiggins seinen Heldenstatus auf der Insel mit einem fünften Olympiasieg weiter ausbauen. Schon jetzt ist der 35-Jährige mit sieben Medaillen (vier Gold, einmal Silber, zweimal Bronze) von der Anzahl her der erfolgreichste britische Olympia-Teilnehmer. Bei den Sommerspielen vor vier Jahren hatte seine Popularität den Höhepunkt erreicht, als er seinen Triumph bei der Frankreich-Rundfahrt wenige Tage später mit dem Sieg im Straßen-Zeitfahren vergoldete. Seine Landsleute klebten sich damals reihenweise Koteletten an, was damals Wiggins' Markenzeichen war.
Dem großen Ziel Olympia ordnet der frühere Sky-Kapitän alles unter. Im vergangenen Jahr beendete Wiggins seine Straßenkarriere, um sich wieder ganz auf die Bahn zu konzentrieren. Dort hatte einst seine Laufbahn glanzvoll begonnen, ehe er sich zum Rundfahrer entwickelte und schließlich als erster Brite die Tour gewann. Damit er auf dem Holzoval an alte Glanzzeiten anknüpfen kann, hat er gewichtsmäßig kräftig zugelegt. So bringt der eigenwillige Radstar inzwischen 14 Kilogramm mehr auf die Waage als bei seinem Triumph in Frankreich.
Auf ein Höhentrainingslager hat er bewusst verzichtet. „Ich habe mit dem Fokus trainiert, dass das Rennen 3:50 Minuten dauert“, erklärte Wiggins, der sich wie nur wenige Radsportler auf ein Rennen hundertprozentig vorbereiten kann.
Das hatte Wiggo erst im vergangenen Jahr bewiesen, als er im Velodrome von London mit 54,526 Kilometern einen Stunden-Weltrekord aufgestellt hatte.
Einen Rio-Freifahrtschein erhält er im hochkarätig besetzten Team der Gastgeber aber nicht. „Er muss bei der WM liefern, um den Weg nach Rio zu schaffen. Es stehen sechs Fahrer zur Auswahl, Brad ist einer dieser starken Kerle“, sagte der Technische Direktor Shane Sutton.
Wiggins rechnet damit, dass für Gold in Rio der Weltrekord von 3:51,659 Minuten unterboten werden muss. Damit dies klappt, hat sich der Superstar erfolgreich für eine Rückkehr des deutschen Erfolgstrainers Heiko Salzwedel stark gemacht. „Heiko ist wie Louis van Gaal oder ein anderer von diesen erfahrenen Top-Managern. Er hat seine Philosophie und hält daran fest. Nicht jeder ist damit einverstanden, aber es scheint zu funktionieren“, sagte Wiggins. Nach Platz acht bei der WM 2014 in Cali wurde der britische Vierer unter Salzwedel ein Jahr später schon Zweiter.“ Spätestens in Rio soll der Platz ganz oben auf dem Podest aber wieder fest gebucht sein.