Meister Greipel übt Druck auf Cavendish und Sagan aus

Wangen (dpa) - André Greipel kann sich auch als Einzelkämpfer ohne Sprintvorbereitung im Stile eines Keirinfahrers durchsetzen. Das ist die wichtigste Botschaft vom Finale des Straßenrennens um die Deutsche Meisterschaft in Wangen und ein Signal für die Tour-Konkurrenz.

Der 30-jährige Rostocker behauptete sich in einem Sprint der wilden Sorte gegen San Remo-Sieger Gerald Ciolek und den WM-Vierten John Degenkolb. „Das ist ein großer Sieg für mich“, gestand der zehnfache Etappensieger bei großen Rundfahrten und Gewinner des Punktetrikots bei der Vuelta.

„Ich habe es oft probiert. Jetzt hat es endlich mit der Meisterschaft geklappt“, sagte der „Gorilla“ genannte starke Mann, der jetzt mit besonders breiter Brust zum Start der 100. Tour de France nach Porto Vecchio auf Korsika fährt.

„Das war sehr, sehr hektisch. Viele Einzelfahrer waren vorne mit dabei. Das war kein normaler Sprint. Es gab keine Sprintzüge. Jeder war auf sich allein gestellt“, schilderte der geschlagene John Degenkolb die letzten Meter in der Altstadt von Wangen. Bei strömenden Regen waren es aber weder der kantige Thüringer, der sich bei der Tour zunächst die Etappen zwei und drei rot angestrichen hat, noch der bei seinem Triumph bei der Classicissima in San Remo mit kühlen Niederschlägen wohlvertraute Ciolek, der das Aufeinandertreffen der Kraftmaschinen entscheiden konnte.

Greipel profilierte sich im Allgäu auch als Zocker, was ihm beim „Tour-Roulette“ gegen die ausgebufften Mark Cavendish und Peter Sagan helfen könnte. Das Muskelpaket hatte seinem etatmäßigen Sprintvorbereiter Marcel Sieberg die Lizenz zum Ausreißversuch erteilt. Sieberg war 800 Meter vor dem Ziel aber vom Degenkolb-Helfer Simon Geschke gestellt worden. Dann warf Greipel den Turbo an. Danach waren seine Augen bereits auf die am Samstag beginnende Tour de France gerichtet: „Ich bin glücklich darüber, im Meistertrikot zur Tour fahren zu können“.

Dort wird er sich mit anderen frischgebackenen Landesmeistern messen müssen. Ex-Weltmeister Cavendish holte im Spurt aus einer vierköpfigen Fluchtgruppe den britischen Titel - und deutete damit wie auch Greipel eine Erweiterung seines taktischen Repertoires an. Sagan war in der Slowakei erfolgreich. Alle drei streben danach, gleich bei der ersten Etappe den Sieg zu holen und ihr frisch erworbenes Meistertrikot gegen das Maillot Jaune einzutauschen. Dass es möglicherweise noch länger auf ihren Schultern bleibt, ist hingegen der Wunsch des Argos Shimano-Duos Degenkolb und Marcel Kittel.

Vor allem Kittel, der in Wangen am letzten Berg noch abgehängt wurde, dürfte auf der für klassische Sprinter wie gemachten Auftaktetappe der Tour von Porto Vecchio nach Bastia zu beachten sein. Er hat das Zeug dazu, in die Phalanx Cavendish-Greipel-Sagan einzubrechen.