NADA übernimmt Fall Sinkewitz - „Missverständnisse“
Berlin (dpa) - Frühestens in der nächsten Woche liegt der Doping-Fall Patrik Sinkewitz in den Händen der Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA. Damit sollen die entstandenen „Missverständnisse“ um die Kompetenzen beim weiteren Vorgehen gegen den Radprofi aus Fulda ausgeräumt sein.
„Zunächst ist noch der Weltverband zuständig. Nachdem die Entscheidung über die B-Probe gefallen ist, übergibt die UCI an den Landesverband BDR, der dann nach der seit 1. Januar 2011 gelten Vereinbarung an uns weiterleitet“, erklärte NADA-Sprecher Berthold Mertes das Prozedere. Mertes hatte zuvor von „Missverständnissen“ gesprochen.
Sinkewitz, dem im Februar in einer positiven A-Probe als erstem Radprofi die Einnahme des Wachstumshormons HGH nachgewiesen worden war, hat bis zum 24. März Zeit, die B-Probe zu beantragen. Sollte er darauf verzichten - wie bei seiner ersten Doping-Verfehlung 2007 (Testosteron) - käme das einer Überführung gleich. Dann würde dem 30-Jährigen als „Wiederholungstäter“ eine lebenslange Sperre drohen, für die sich bereits BDR-Präsident Rudolf Scharping stark machte.
Sinkewitz' ehemaliger Anwalt Michael Lehner hatte sich 2008 maßgeblich dafür eingesetzt, dass sich sein damaliger Mandant als Kronzeuge zur Verfügung stellt, was eine Halbierung seiner Dopingsperre auf ein Jahr zur Folge hatte. „Schon damals gab es eine Diskussion mit ihm: Geht es auch 'ohne' bei einer Rückkehr in den Top-Radsport“, sagte Lehner. Offensichtlich hat sich Sinkewitz, der mit fadenscheinigen Begründungen schon die WM 2000 im Plouay kurzfristig mit einem auffällig hohen Hämatokritwert verlassen hatte (BDR-Begründung damals: Erkältung), dafür entschieden, es weiter 'mit' zu versuchen.
Ex-Profi Rolf Aldag hat der erneute positive Test beim Doping-Kronzeugen von 2008 nicht umgehauen. „Für mich kam das nicht wirklich überraschend. Der hat es eben nicht kapiert. Vielleicht sollten sich auch die Medien mal hinterfragen, die immer lamentiert haben, warum es lange kein Team gab, das Sinkewitz nach seinem Doping-Verstoß wieder einstellen wollte. Das lag nicht daran, das er als 'Nestbeschmutzer' galt“, sagte Sinkewitz' ehemaliger Teamchef, der 2007 selbst Doping zu Telekom-Zeiten zugegeben hatte.
Seit drei Jahren ist der Test auf Wachstumshormone praktikabel und wissenschaftlich abgeklärt. „Aber das Zeitfenster der Entdeckungsmöglichkeit ist klein: zwischen acht und 24 Stunden“, sagte der Mediziner Martial Saugy dem Internetportal „Cycling News“. Der Direktor des von der WADA lizenzierten Anti-Doping-Labors in Lausanne hatte die Sinkewitz-Probe auf HGH analysiert. Der britische Rugby-Spieler Terry Newton war 2010 der erste Athlet weltweit, dem die Einnahme dieses Wachstumshormons nachgewiesen worden war.
Am 18. Juni 2007 war der frühere Sieger der Deutschland-Tour positiv auf Testosteron getestet worden. Sinkewitz kooperierte mit den Verbänden und Behörden und kam ins Kronzeugen-Programm. Im Rahmen seiner Aussagen hatte er auch zugegeben, beim Start der Tour de France 2006 nach der Suspendierung Jan Ullrichs in die Uni-Klinik Freiburg gefahren zu sein, um sich unerlaubte Bluttransfusionen geben zu lassen. Seine Doping-Beichte hatte mit zum Rückzug von T-Mobile aus dem Radsport-Sponsoring und dem Aus der Live-Berichterstattung von ARD und ZDF von der Tour 2009 geführt.
Sein aktueller italienischer Rennstall Farnese Vini, der mit Sinkewitz auch den Giro d'Italia im Mai bestreiten wollte, kündigte die fällige Vertragsauflösung an: Sollte die B-Probe positiv sein, erfolgt die sofortige Kündigung.