Radsport-Manager Riis und Bruyneel vor dem Rückzug
Berlin (dpa) - Die Dinos an den Schaltpulten des Radsports sterben langsam aus. Bjarne Riis vollzieht mit dem Verkauf seines Rennstalls für geschätzte sechs Millionen Euro einen Rückzug auf Raten und profilierte sich erneut als Finanzjongleur.
Johan Bruyneel droht noch vor Weihnachten die Bestätigung seiner lebenslangen Sperre. Einzig Tony-Martin-Chef Patrick Lefevere ist als Manager alten Zuschnitts weiter in Amt und Würden. Aber Zweifel sind angebracht, ob die Nachfolger wirklich besser sind.
Auf Riis folgte als Teambesitzer und Chef des zweimaligen Tour-de-France-Gewinners Alberto Contador der russische Oligarch Oleg Tinkow. Der 45-Jährige ist im Geschäft auch als ehemaliger Arbeitgeber der Doper Tyler Hamilton und Jörg Jaksche bestens bekannt. Bei der offiziellen Riis-Ablösung in der Google-Zentrale in London sprach vor allem die verkniffene Miene Contadors neben dem strahlenden Selbstdarsteller Tinkow Bände.
Passend zum Zeitgeist gab der Russe ein Anti-Doping-Statement ab, kritische Nachfragen würgte er ab. „Bei mir herrscht null Toleranz. Ich glaube nicht, dass es noch Doping im Peloton gibt. Das ist vielleicht naiv“, räumte Tinkow immerhin ein. Die Vorwürfe an seine Adresse aus dem Bekenntnisbuch des Armstrong-Kronzeugen Hamilton („The Secret Race“) nannte er „Bullshit“. „Wie Erfolge zustande kommen, interessiert ihn nicht“, sagte Jaksche der Nachrichtenagentur dpa.
Riis hat indes erneut einen perfekten Finanz-Schachzug vollzogen. Der ehemalige Telekom-Kapitän, der sich vor 13 Jahren nach einer Verletzung mit einer hohen Versicherungssumme aus dem aktiven Geschäft zurückgezogen hatte, soll mindestens drei Jahre Sportdirektor des neuen Teams Tinkoff-Saxo bleiben. Dafür soll der 49-Jährige pro Jahr nach Mutmaßungen der „Gazzetta dello Sport“ rund eine Million Euro zusätzlich zur Verkaufssumme erhalten.
„Bjarne Riis hat sich erneut ein Vermögen auf einer Konstruktion geschaffen, die auf Betrug aufgebaut wurde. Deshalb ist es ein bisschen anstrengend, in den Applaus all derer einzustimmen, denen jetzt ein Stück dänische Sportgeschichte fehlen wird“, schrieb „Berlingske Tidende“ in Kopenhagen.
Allerdings droht dem Dänen, der 2007 Doping gestanden hatte, ein Arbeitsverbot. Die dänische Anti-Doping-Agentur ADD will zum Jahresbeginn die Ermittlungsergebnisse gegen den Toursieger von 1996 vorlegen, der als Teamchef Fahrern den Weg zu Manipulationen geebnet haben soll. Entsprechend hatte sich in der Vergangenheit auch Jaksche geäußert, der unter Riis 2004 bei CSC fuhr. Der direkte Vorgänger Jan Ullrichs als Toursieger war auch von den dopinggeständigen Ex-Profis Michael Rasmussen und Hamilton beschuldigt worden.
Dass der Verkauf mit den Ermittlungen zusammenhänge, bezeichnete Riis als „pure Spekulation“. Auch Tinkow wollte davon nichts hören. „Wenn es eine Entscheidung geben sollte, werden wir uns damit beschäftigen, auch wenn wir Bjarne dann nicht mehr haben sollten. Aber davor ist mir egal, was alle sagen“, erklärte der Bank- und Restaurantketten-Besitzer, der seine Meinung offenbar schnell ändert.
Noch im Juli hatte Tinkow über Contador, der bei der Tour gegen den späteren Gesamtsieger Chris Froome chancenlos war, gehöhnt: „Zu reich - zu wenig hungrig“. Der Spanier, in London ebenfalls anwesend, schlug versöhnliche Töne an. „Viele werden die Augenbrauen hochziehen, aber was auch immer passiert ist, liegt lange zurück“, sagte der Spanier, der in diesem Jahr nach einer Dopingsperre zum ersten Mal wieder in Frankreich am Start stand. Sein millionenschwerer Vertrag, der noch zwei Jahre läuft, dürfte Contador über den Besitzerwechsel des Teams hinwegtrösten.