Report: Elf Teamkollegen belasten Armstrong

Berlin (dpa) - Die Beweislast gegen Lance Armstrong scheint erdrückend, der Verlust seiner sieben Tourtitel rückt näher.

Garniert mit elf Zeugenaussagen von Ex-Teamkollegen hat die US-Dopingagentur USADA ihre Urteilsbegründung im Dopingfall des siebenmaligen Tour-de-France-Siegers an den Radsport-Weltverband UCI geschickt. Nach Erhalt der mehr als 1000-seitigen Akten mit deutlichen Anschuldigungen hat der Verband 21 Tage Zeit, sein Urteil über den gefallenen amerikanischen Weltstar zu sprechen. Am Mittwochabend wartete die UCI allerdings noch auf die schriftliche Stellungnahme.

Die im Internet komplett veröffentlichten Dokumente zeichnen ein erschreckendes Sittenbild im früheren Armstrong-Rennstall. US Postal, langjähriges Profiteam des 41-Jährigen, habe das „ausgeklügelste, professionellste und erfolgreichste Dopingprogramm betrieben, das der Sport jemals gesehen hat“, schrieb die USADA in einer Mitteilung auf ihrer Internetseite.

Die Beweisführung gegen Armstrong enthält beeidete Zeugenaussagen von 26 Personen, davon 15 früheren Fahrern. Von den elf ehemaligen Teamgefährten Armstrongs wurden Levi Leipheimer, Christian Vande Velde, Tom Danielson und David Zabriskie als aktive Profis jeweils für ein halbes Jahr gesperrt. Die kürzlich zurückgetretenen Georgie Hincapie und Michael Barry legten am Mittwoch im Zuge der USADA-Veröffentlichung erstmals ein Dopinggeständnis ab, auch Vande Velde und Leipheimer bekannten öffentlich Reue.

Frankie Andreu, Tyler Hamilton, Floyd Landis und Jonathan Vaughters, die ebenfalls aussagten, hatten bereits vor längerem ihre Karriere beendet. Vaughters ist Garmin-Teamchef und in dieser Funktion seit Jahren lautstarker Fürsprecher im Anti-Doping-Kampf. „Es hat enormen Mut der Fahrer des (US Postal) Teams und anderer erfordert, hervorzutreten und die Wahrheit zu sagen“, lobte USADA-Chef Travis Tygart.

Neben der Aussagen sind auch Dokumente als Beweismittel aufgeführt, darunter Aufzeichnungen von Zahlungen, E-Mails, wissenschaftliche Daten und Labortests. Diese sollen den „Gebrauch, Besitz und Verteilung von leistungssteigernden Mitteln durch Lance Armstrong beweisen“, schreibt die USADA. „Die Dopingverschwörung war professionell entworfen, um die Athleten unter Druck zu setzen, gefährliche Dopingmittel zu nutzen, (...) und einen unfairen Wettbewerbsvorteil zu gewinnen.“ Der Report ging auch an die Welt-Anti-Dopingagentur WADA und den Triathlon-Weltverband. Die USADA veröffentlichte das komplette Material am Mittwoch im Internet.

„Das ist schon ein bisschen ungewöhnlich“, sagte UCI-Sprecher Enrico Carpani der Nachrichtenagentur dpa zu diesem Schritt. „Wir haben erwartet, dass wir die Dokumente zuerst bekommen. Bis jetzt haben wir noch nichts erhalten.“

Der UCI-Verbandsvorsitzende Pat McQuaid hatte mehrmals angedeutet, die von der USADA ausgesprochenen Strafen zu akzeptieren. Die Anti-Doping-Agentur hatte Armstrong Ende August lebenslang gesperrt und seine Ergebnisse seit dem 1. August 1998 gestrichen. Sollte die UCI dem zustimmen, würde Armstrong seine Toursiege von 1999 bis 2005 verlieren. Die Rückgabe sämtlicher Gelben Trikots hatte auch die französische Sportministerin Valerie Fourneyron gefordert. Der 41-jährige Armstrong hatte darauf verzichtet, der USADA-Verurteilung zu widersprechen. Sein Anwalt Tim Herman nannte die Mitteilung von Trygart in einer ersten Reaktion einen „einseitigen Verriss“ und „unbestätigt“.

Leipheimer (Omega Pharma-QuickStep) und das Garmin-Sharp-Trio Vande Velde, Danielson und Zabriskie kommen glimpflicher als Armstrong davon. Sie erhielten jeweils eine Sperre von sechs Monaten, die seit dem 1. September 2012 gilt. Das geht aus unterschriebenen Dokumenten hervor, die die USADA veröffentlichtete. Darin akzeptieren die Profis ihre Strafen.

„Meine Fehler in der Vergangenheit tun mir sehr leid und ich weiß, dass es viel verlangt ist, um Vergebung zu bitten“, schrieb der 36 Jahre alte Amerikaner Vande Velde auf seiner Internetseite. „Ich habe nachgegeben und eine Grenze überschritten, eine Entscheidung, die ich tief bereue.“ Leipheimer schrieb in einem Beitrag für die Website des Wall Street Journal: „Dopint war nicht die Ausnahme, es war die Norm.“

Auch Hincapie, Weggefährte Armstrongs bei allen sieben Toursiegen, und Barry gaben den Gebrauch von Dopingmitteln während ihrer aktiven Zeit zu. „Früh in meiner Profikarriere wurde mir klar, dass es wegen der weit verbreiteten Anwendung leistungssteigernder Mittel bei Spitzen-Radfahrern nicht möglich war, auf dem höchsten Niveau mit ihnen mitzuhalten“, schrieb der 39 Jahre alte Amerikaner Hincapie auf seiner Internetseite über die Einnahme verbotener Substanzen bis 2006.

Der Sieger einer Bergetappe bei der Frankreich-Rundfahrt 2005 hatte Armstrong bei dessen sieben Tourtiteln von 1999 bis 2005 begleitet und diesen August seine Laufbahn beendet.

„Ich habe gedopt. Es war eine Entscheidung, die ich tief bereue“, schrieb der Kanadier Barry, der bis zuletzt für das Team Sky fuhr und im September zurückgetreten war. Seit dem Sommer 2006 habe er ebenfalls nie wieder Dopingmittel genommen.