Slowake Sagan als „Wolf of Tour de France“
Gap (dpa) - Rasender Entertainer, Monsieur Deuxième oder einfach nur ein Kerl mit „Big Balls“: Peter Sagan ist die Hauptattraktion der 102. Tour de France.
So tragisch seine fünf zweiten Plätze auch sind, mit Angriffslust und großer Klappe hat sich der Slowake längst in die Herzen der Radsport-Fans gefahren. Seine halsbrecherische Abfahrt vom Col de Manse „im Stile von Motorrad-Star Valentino Rossi“ (Simon Geschke) hatte allerhöchsten Unterhaltungswert - wie ohnehin sein gesamtes Auftreten in Frankreich.
Als Sagan nach seinem Höllenritt als Zweiter Gap erreicht hatte, klopfte er sich auf die Brust wie Matthew McConaughey im Kinoschlager „Wolf of Wall Street“. Es ist dieses grenzenlose Selbstbewusstsein, dieser ausgeprägte Mut zum Risiko und diese Schlagfertigkeit, die ihn so auszeichnet. Auf die Frage, warum er denn so angriffslustig sei, hatte der „Saganator“ die passende Macho-Antwort parat: „Weil ich Big Balls habe.“
Sagan, 25 Jahre jung, das ist pures Entertainment auf dem Rad. Manchmal schießt er auch über das Ziel hinaus, wie etwa bei der Flandern-Rundfahrt 2013, als er einer Hostesse auf dem Podium in den Po kniff. Der fünfmalige Toursieger Bernard Hinault ist aber trotz aller Extravaganzen begeistert: „Er ist der Fahrer, den der Radsport benötigt. Er gibt niemals auf. Ich liebe sein Temperament, gerade wenn ich sehe, wie andere Fahrer nur taktieren. Die anderen sollten sich ein Beispiel an ihm nehmen.“ Sogar Teamchef Patrick Lefévère vom konkurrierenden Etixx-Quick-Step-Rennstall ist hin und weg: „Er beeindruckt mich, wie nur wenige Fahrer es getan haben.“
Der Belgier würde Sagan liebend gern in seine Mannschaft holen, doch der steht noch bis Ende 2017 bei Saxo-Tinkoff unter Vertrag. Und dort genießt er inzwischen auch bei seinem nicht minder exzentrischen Teamchef Oleg Tinkow („Für mich ist er der stärkste Fahrer der Tour, stärker als Froome“) höchste Wertschätzung.
Das hörte sich vor einigen Monaten noch anders an. Nachdem es im Frühjahr nicht lief, musste sich Sagan von Tinkow deutliche Worte wegen seine Vier-Millionen-Euro-Salärs gefallen lassen. „Wenn ich die rechtliche Möglichkeit hätte, würde ich sein Gehalt kürzen. Leider geht das nicht. Diesen Fehler würde ich nie wieder machen“, hatte der Russe gemotzt. Sagan nimmt die Kritik rückblickend mit Humor: „Er darf das sagen, er bezahlt mich schließlich.“
Auf den Landstraßen Frankreichs bekommt Geschäftsmann Tinkow schließlich sein „Return on Investment“. Nur für Sagan selbst haben sich die sportlichen Anstrengungen noch nicht in Siegen ausgezahlt. Fünfmal Zweiter, zweimal Dritter, dreimal Vierter, einmal Fünfter ist seine geradezu niederschmetternde Ausbeute bei den Tour-Etappen. „Ich wüsste nicht, was ich noch besser machen soll. Ich versuche alles. Wenn Gott will, dass ich gewinne, wird es passieren. Sonst werde ich halt wieder Zweiter“, sagte Sagan. In seiner gesamten Tour-Karriere hat er es bereits auf 16 zweite Plätze gebracht. „Würde er bei uns fahren, hätte er schon drei Siege“, meinte Lefévère. Ein Angebot zum Wechsel?
Immerhin wird Sagan in Paris zum vierten Mal in Serie das Grüne Trikot des Punktbesten gewinnen. Mit 89 Zählern Vorsprung auf André Greipel ist ihm der „Trostpreis“ kaum mehr zu nehmen. Damit würde er mit Sean Kelly gleichziehen und an den sechsmal erfolgreichen Rekordsieger Erik Zabel heranrücken. Auch sonst erinnert Sagans Situation stark an das einstige Schicksal von Zabel. Sieben Helfer eskortierten einst Jan Ullrich bei seinem meist vergeblichen Kampf um Gelb. Sprinter Zabel war regelmäßig auf sich allein gestellt. Wie Sagan, in dessen Team alles auf Alberto Contador ausgerichtet ist.
Trotzdem versprüht Sagan positive Energie. „Das Leben ist zu kurz, um traurig zu sein“, sagt er und ist „stolz auf das, was ich mache“. Jeder habe Angst vor ihm, keiner wolle mit ihm zusammenarbeiten. Das sei doch ein Kompliment.