„Superhirn“ Riis schlägt „Superman“ Cancellara

Meerbeke (dpa) - Manchmal genügt bei Bjarne Riis ein einziger Anruf. In seinem Job als Teamchef eines Radrennstalls ist der Däne sehr erfolgreich, was daran liegt, dass er seine Fahrer außergewöhnlich gut antreiben kann.

„Als Bjarne meinen Manager anrief, um mit mir zu arbeiten, wurde ich automatisch selbstbewusster“, sagt der bis vor kurzem eher mittelmäßige und bis vorigen Sonntag zudem eher unbekannte Nick Nuyens.

Dann aber gewann der Belgier überraschend die Flandern-Rundfahrt und hob damit ein weiteres Talent seines Teamchefs hervor: Radprofis, die scheinbar über ihren Zenit hinaus sind, wieder zurück auf den obersten Platz eines Siegerpodests zu hieven.

Nuyens ist nicht der erste, der nach Jahren des Dahinradelns unter der Regie von Riis noch einmal den Turbo zündete. 2001 heuerte Riis den Franzosen Laurent Jalabert an, dem schon der Ruhestand nahegelegt worden war. Doch im damaligen Team CSC trumpfte Jalabert auf, gewann nach sechs Jahren Pause wieder Etappen bei der Tour de France und zweimal das Punktetrikot.

Der Amerikaner Bobby Julich hatte 2004 als 32-Jähriger sechs erfolglose Saisons hinter sich, ehe er unter Riis' Regie durchstartete und wieder Elite-Rennen gewann. Riis brachte im selben Jahr auch den späteren Doping-Kronzeugen Jörg Jaksche auf Trab. Nun also Nuyens, der bei seinem größten Erfolg auch schon 30 Jahre alt war.

Was das Erfolgsrezept von Riis ist, der 1996 selbst die Tour de France gewann, ehe der Triumph nach seinem Doping-Geständnis an Wert verloren hatte, „ist schwer zu erklären“, meint Nuyens. Der Belgier spricht von „kleinen Dingen“, die sein Teamchef verändert habe, von dem „bisschen Extra“, das er seit seinem Wechsel zu Saxo Bank Sungard drauflegen konnte, und auch vom „Schalter im Kopf, den ich umgelegt habe“. Aber „wie gesagt, das ist schwer zu beschreiben.“

Der Teamchef selbst sonnt sich im Erfolg, den Nuyens in einem spannenden Sprint am Sonntag ausgerechnet über Fabian Cancellara feierte. Riis und der Zeitfahr-Spezialist hatten sich im Winter im Streit getrennt. Nun fährt Cancellara für das neue Leopard Trek-Team aus Luxemburg. „Vielleicht wollte er ein starkes Team für die Klassiker haben“, stichelte Riis am Sonntag im Ziel der Flandern-Rundfahrt. Die Genugtuung über das verpatzte Rennen von Cancellara war dessen ehemaligem Chef anzusehen: „Das ist speziell, das können sich viele Leute vorstellen.“

Ausschlaggebend für den Erfolg von Nuyens und die Pleite Cancellaras war in den Augen von „Superhirn“ Riis die Taktik. Während der Schweizer viele Kilometer Führungsarbeit verrichtete, kam der Belgier erst im Schlussspurt aus der Deckung. „Fabian war der stärkste Fahrer heute, wir waren aber cleverer“, sagte „Mastermind“ Riis. „Es kommt nicht nur auf die Beine an.“

Als Vorjahressieger und absoluter Topfavorit suchte Cancellara lange nach Worten für den enttäuschenden dritten Platz hinter Nuyens und dem Franzosen Sylvain Chavanel. „Das war ein seltsamer Tag für mich“, meinte der 30-Jährige. „Aber auch Superman hat manchmal schwache Momente.“