Tour: Alpen-Showdown der Fliegengewichte
Gap (dpa) - Die zwei schwersten Alpen-Etappen und das Zeitfahren müssen nach dem Pyrenäen-Patt der Favoriten die Entscheidung bei der 98. Tour de France bringen. Dabei kämpfen Fliegengewichte um den Sieg.
Die Schwergewichte der Tour de France kämpfen in der Fliegengewichtsklasse: Der Showdown zwischen den Schleck-Brüdern, Alberto Contador, Cadel Evans und Thomas Voeckler - alles Fahrer mit Skispringer-Figuren - soll auf den zwei schwersten Alpen-Etappen am Donnerstag und Freitag sowie beim Zeitfahren am Samstag in Grenoble stattfinden. Die besten Karten im Tour-Mehrkampf um das Gelbe Trikot über den Galibier (zweimal) und hoch nach L'Alpe d'Huez hat nach dem Alpen-Appetizer vom Dienstag Ex-Weltmeister Evans. Nach zwei zweiten Plätzen will der Australier mit „dem Gesicht eines traurigen Clowns“, wie „L'Équipe“ schrieb, endlich in die oberste Etage.
Die Waage ist mitentscheidend, ob ein Profi bei der Tour den Gipfel erreichen kann. „Die kommen mir von Jahr zu Jahr dünner vor“, meinte Ex-Profi Erik Zabel mit einem Blick auf einen Großteil des Fahrerfeldes. Die in den Pyrenäen gescheiterte große deutsche Tour-Hoffnung Tony Martin scheint mit rund 74 Kilogramm bei 1,86 Meter Körpergröße im Vergleich zu den Untergewichtigen vor ihm schon fast überproportioniert. „Wir können ihn ja nicht in die Bulimie treiben“, sagte HTC-Highroad-Teamchef Rolf Aldag. Contador wiegt über zehn Kilo weniger und ist acht Zentimeter kleiner als Martin, der bei Licht besehen auch nur wie aus Haut und Knochen wirkt.
Der strengste Weightwatcher war der mit großen Ambitionen gestartete und inzwischen verletzt ausgeschiedene Bradley Wiggins. Der 1,90 Meter große Brite brachte zum Tour-Start knapp 67 Kilo auf die Waage, 13 Kilo weniger als bei seinen Olympiasiegen 2008 in Peking auf der Bahn. Die leichtesten Tourfahrer sind die jeweils 56 Kilogramm wiegenden Amets Txurruka (Spanien) und Samuel Dumoulin (Frankreich). Auf der anderen Seite der Skala stehen die Weltmeister Thor Hushovd (83 Kilo) und Fabian Cancellara (82).
„Die Schlecks liegen etwa bei vier Prozent Körperfett“, sagte Leopard-Team-Manager Brian Nygaard, der in Gap wegen des Zeitverlusts des Brüderpaars auf Contador und Evans ein langes Gesicht machte. Normalgewichtige haben 15 bis 18 Prozent.
Von Donnerstag bis Samstag muss Titelverteidiger Contador - durch Stürze zum Tour-Auftakt zurückgeworfen und gehandicapt - alles in die Waagschale werfen. Auf dem Weg zum angestrebten Double Giro/Tour, das zuletzt der verstorbene Marco Pantani 1998 schaffte, versprach er der Konkurrenz am zweiten Ruhetag ungemütliche Stunden in den Alpen. Auf den höchsten Gipfeln Galibier (2645 Meter), der bei der Tour vor 100 Jahren zum ersten Mal bestiegen wurde, und dem Col Agnel (2744 Meter) prophezeite der Wetterbericht Schneefall - sicher nicht die besten Aussichten für Contadors geplante Aufholjagd. Allerdings hat er sich am Dienstag im Regen von Gap schon einmal warm gefahren.
„Es ist unmöglich, mich nur auf das Zeitfahren zu konzentrieren, um die Tour zu gewinnen. Ich muss davor angreifen. Ich hoffe, ich habe die Beine dazu, auch wenn mir die Frische vom Giro fehlt“, sagte der zierliche Madrilene und setzte bereits auf der 16. Etappe einen Teil seiner Prophezeiung um.
Andy Schleck, in den vergangenen beiden Jahren jeweils zweiter hinter Contador, kritisierte die Tour-Chefs für die Streckenführung am Mittwoch beim einzigen Auslands-Abstecher der 98. Frankreich-Rundfahrt nach Italien.
„Ich kann die ASO nicht verstehen, die solch eine Zielankunft einbaut. Sollte es regnen, sehen wir weitere Fahrer im Krankenhaus. Das ist praktisch ein Fahrradweg in einem Waldgebiet. Ich bin ihn dreimal im Training gefahren. Ich hoffe, die Tour wird nicht dort durch einen Sturz entschieden“, sagte der Bergspezialist (65 Kilo) des Leopard-Teams in einem Interview der Luxemburger Zeitung „Tageblatt“.